9. October 2008

Abzug als große Geste

Mit dem vorzeitigen Abzug der russischen Friedenstruppen aus der Pufferzonen in Georgien will Russland Zuverlässigkeit demonstrieren.

Erst das Angebot eines Vier-Milliarden-Kredits für das ins Schlingern geratene Island, dann der vorzeitige Rückzug der russischen Friedenstruppen aus der Pufferzone in Georgien. Moskau liebt große Gesten. Angesichts weltweiter Unsicherheit möchte sich Russland als zuverlässiger Partner präsentieren.

Bis Freitag hätten die russischen Truppen laut Sarkozy-Plan Zeit gehabt, die Pufferzonen um Südossetien und Abchasien zu verlassen. Doch Kreml-Chef Medwedjew ließ es sich nicht nehmen, den Rückzug bereits gestern auf einer Konferenz für internationale Politik im französischen Evian zu verkünden. Die Ereignisse im Kaukasus hätten gezeigt, dass nur ein multipolares Sicherheitssystem Frieden schaffen könne, so der Kreml-Chef. „Blöcke“ könnten die Situation im Kaukasus nicht befrieden. Die geplante Aufnahme von Georgien und der Ukraine in die Nato bezeichnete Medwedjew als Maßnahme „gegen uns“.

Der Kreml-Chef lobte die EU für den Friedensplan und die Entsendung von Beobachtern. Die EU sei ein „pragmatischen Partner“. Während „andere Kräfte“ keine Initiative ergriffen hätten, habe die EU gehandelt und Verantwortung übernommen. Russland zieht seine Truppen nach Süd-Ossetien und Abchasien zurück. Die beiden abtrünnigen georgischen Provinzen hatte Moskau unmittelbar nach dem fünftägigen Georgien-Krieg im August als unabhängige Staaten anerkannt.

Wie es in der Region aber nun weitergehen soll ist unklar, denn Tiflis fordert den vollständigen Abzug aller russischen Soldaten vom georgischen Territorium, wozu der georgische Präsident, Michail Saakaschwili, immer noch Abchasien und Südossetien zählt. Man kann nur hoffen, dass es in der Region bis zum 15. Oktober friedlich bleibt, denn dann findet in Genf eine internationale Konferenz zur Sicherung des Friedens in Georgien statt. Dort geht es dann auch um die Zukunft der beiden abtrünnigen Provinzen.

Im Laufe des gestrigen Tages wurden sechs russische Kontrollposten in der Pufferzone abgebaut. Die russischen Fernsehsender zeigten eifrig schaufelnde russische Soldaten, die Schützengräben zuschütteten und Kräne, die Wohncontainer auf Schwerlaster hievten. Nach der europäischen Kritik, Russland sei in Georgien zu weit gegangen, will Moskau nun alles richtig machen. Der Kommandeur der russischen Friedenstruppen verpflichtete sich die Kontrollposten sauber zu hinterlassen. Sogar den georgischen Asphalt will man schonen. Während die Schwerlaster und Armee-LKWs auf der Straße Richtung Norden rollen, sollen die Kettenfahrzeuge durchs Gelände abziehen.

Georgische Polizisten sind von nun an für die Sicherheit in den Pufferzonen um Abchasien und Südossetien verantwortlich. Die 225 unbewaffneten EU-Beobachter, die dort seit Anfang Oktober ihren Dienst tun, haben keine leichte Aufgabe, denn das Gebiet vor Süd-Ossetien ist unsicher. Am Montag war eine unbewaffnete EU-Patrouille in der Pufferzone von Unbekannten festgehalten worden. Ende letzter Woche war vor dem Stab der russischen Friedenstruppen im südossetischen Zchinwali ein Auto explodiert. Sieben Soldaten, darunter der Leiter des Stabes des russischen Friedenstruppen, wurden getötet. Die russische Staatsanwaltschaft sprach von einem „terroristischen Akt“. Medwejdew forderte die EU-Beobachter auf, „georgische Provokationen“ zu verhindern.
Ulrich Heyden, Moskau (Veröffentlichung nur nach Rücksprache mit dem Autor)

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