14. September 2013

Allein gegen die Flammen

Wie eine Krankenschwester 23 Männer aus der brennenden Klinik in Russland rettete – und eine Tragödie dennoch nicht verhindern konnte.

Von Ulrich Heyden,SZ-Korrespondent in Moskau

Moskau. Die traurigen Fakten klingen nicht nach einer Heldengeschichte: 37 psychisch kranke Männer verbrannten in der Nacht auf Freitag in dem flachen, hölzernen Wohnhaus einer Psychiatrie im nordrussischen Nowgorod-Gebiet. Das Haus war vor 150 Jahren gebaut worden und hatte weder Kanalisation noch Wasseranschluss.

Wie es zu dem Unglück kam, ist bisher unklar. Der Chefarzt der Psychiatrie erklärte, einer der Patienten habe womöglich den Brand gelegt. Nach einem Bericht des Fernsehkanals Vesti hatte es zuvor einen Konflikt zwischen einem der Patienten und der Anstaltsleitung gegeben.

Unter den Toten ist auch die Krankenschwester Julia Anufrijewa. Die Mutter von vier Kindern war in dem Wohnblock die einzige Aufsichtsperson. Nachdem der Brand um drei Uhr nachts ausgebrochen war, alarmierte sie die Feuerwehr und rettete 23 Männer ins Freie. Die 46-Jährige wollte noch mehr Menschen in Sicherheit bringen, wurde aber von einem herabstürzenden Balken erschlagen. Der Gouverneur des Gebietes Nowgorod will ihr posthum eine Auszeichnung verleihen.

Die russische Staatsanwaltschaft hatte schon im März die Schließung des Männer-Wohnblocks wegen Baufälligkeit und Brandgefahr angeordnet. Das zuständige Gericht hatte der Einrichtung allerdings eine Frist zur Beseitigung der Mängel bis zum August 2014 eingeräumt.

In den vergangenen Jahren kam es in Russland immer wieder zu Feuertragödien in Kliniken und Altenheimen. Erst im April starben im Dorf Ramenskoje südlich von Moskau 38 Menschen beim Brand in einer psychiatrischen Anstalt. Bei einem Feuer in einem Altenheim im nordrussischen Komi-Gebiet starben im Jahre 2009 25 Menschen. 2007 kamen bei einem Brand in einem Altenheim in der südrussischen Kuban-Region 63 Menschen ums Leben.

Das Problem der psychisch Kranken und alten Menschen wird vom staatlichen Fernsehen nur behandelt, wenn mal wieder ein Gebäude brennt. Es die schwächsten Menschen, die keine Lobby haben und in Einsamkeit und Armut leben.

veröffentlicht in: Sächsische Zeitung

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