Brüchiger Frieden in Südossetien
Kriegsangst. Zwischen Südossetien und dem georgischen Kernland gibt es vermehrt Schießereien, ähnlich wie vor Beginn des russisch-georgischen Krieges vor einem Jahr.
ULRICH HEYDEN MOSKAU (SN). Die EU-Beobachter, die vom Territorium des georgischen Kernlandes aus die Einhaltung des Friedens an der Grenze zu Südossetien überwachen, haben keinen leichten Job. Fast täglich kommt es zu Schießereien zwischen Südossetien und dem georgischen Kernland.
Die Vorwürfe der Regierung in Zchinwali, südossetische Militärposten würden von georgischer Seite aus beschossen, hat Tbilissi zurückgewiesen und seinerseits Russland beschuldigt, die Spannungen in der Region zu schüren.Moskau hatte nach dem aus russischer Sicht erfolgreichen Krieg mit Georgien im August 2008 Südossetien und Abchasien als Staaten anerkannt – und bleibt damit mit Nicaragua allein.Die 200 EU-Beobachter an der Grenze dürfen nicht nach Südossetien einreisen. Das Land will zuerst als eigener Staat anerkannt werden.
Das russische Verteidigungsministerium drohte bereits am vergangenen Wochenende, „im Fall weiterer Provokationen“ behalte man sich das Recht vor, „mit allen vorhandenen Kräften und Mitteln“ zu reagieren. Der kremlkritische russische Militärexperte Pawel Felgenhauer sieht in den russischen Drohungen ein Zeichen, dass Russland einen Militärschlag gegen Georgien vorbereitet. Angeblich plant der russische Generalstab den Flughafen-Komplex Wasiani östlich von Tbilissi, in einem Blitzangriff zu besetzen und so den Nachschub aus den USA zu unterbinden. Konkrete Beweise kann Felgenhauer allerdings nicht vorlegen. Ein neuer Krieg könne „jeden Tag“ ausbrechen, meint der Experte.
Die Spannungen in Georgien waren dieser Tage auch schon Thema bei einem Telefongespräch zwischen Barak Obama und Kreml-Chef Dmitrij Medwedew. In dem Gespräch hob Obama die Bedeutung von Krisenmanagment hervor. Unmittelbar nach dem Gespräch rief der US-Vizepräsident Joe Biden beim georgischen Präsidenten Saakaschwili an. Biden versprach Georgien die Unterstützung der USA, rief aber gleichzeitig dazu auf, beide Seiten sollten sich zurückhalten.
Als im August 2008 der Krieg zwischen Russland und Georgien ausbrach, war man in Europa zunächst der Meinung, Russland habe angegriffen. Doch heute ist die Mehrheit der Experten der Meinung, dass Georgien mit der Bombardierung der südossetischen Hauptstadt Zchinwali den Krieg begonnen hat. Die Stadt wurde von georgischen Truppen in Trümmer geschossen. Dabei kamen 162 Menschen ums Leben.
Während die westliche Öffentlichkeit von dem Kriegsausbruch überrascht war, hatten Kaukasus-Experten und UNO-Militärbeobachter die Vorboten des Krieges bereits in den Monaten vor dem August 2008 beobachtet.
Georgien gilt seit Langem als Spannungsgebiet, denn hier stoßen die Interessen der USA und Russlands aufeinander. Durch Georgien verläuft eine wichtige Öl- und Gas-Pipeline in Richtung Westen. Russland beansprucht Georgien als Einflusszone und will ein weiteres Heranrücken der Nato an seine Grenzen nicht zulassen.
Georgien ist noch aus einem anderen Grund ein Spannungsgebiet. Es gibt Konflikte zwischen Georgiern auf der einen und Abchasen, Südosseten und Adscharen auf der anderen Seite. Diese Konflikte brechen immer dann aus, wenn nationalistische oder autoritäre Kräfte in Tbilissi die Oberhand gewinnen, so wie seit dem Zerfall der Sowjetunion.
Russland machte sich den Nationalismus Saakaschwilis zunutze. Die Bürger von Südossetien und Abchasien, die Tbilissi nicht trauten, bekamen ohne Probleme russische Pässe.
Wenn der Frieden im Kaukasus stabil werden soll, dann müssten sich Medwedew und Saakaschwili an einen Tisch setzen. Doch bisher gibt es nur eine kleine Verhandlungsrunde von Beamten der beteiligten Länder in Genf – bisher erfolglos.
"Salzburger Nachrichten"