Chodorkowski muss weiter auf sein Urteil warten
Verkündung überraschend auf den 27. Dezember verschoben – Verteidiger: Urteil wird nicht von Richter Viktor Danilkin, sondern im Kreml gefällt
Die eigentlich für gestern geplante Urteilsverkündung im zweiten Prozess gegen Michail Chodorkowski ist überraschend verschoben worden. Das Gericht in Moskau vertagte sich ohne Angabe von Gründen.
Von SZ-Mitarbeiter Ulrich Heyden
Moskau. Der Vorsitzende des Moskauer Bezirksgerichts, Viktor Danilkin, war der Einzige, der den Rechtsanwälten von Michail Chodorkowski hätte erklären können, warum die für gestern geplante Urteilsverkündung auf den 27. Dezember verschoben wurde.
Doch Danilkin war nicht ansprechbar im Beratungszimmer des Gerichtsgebäudes. Dass die Urteilsverkündung verschoben wurde, erfuhren die Anwälte des ehemaligen Yukos-Chefs Chodorkowski über einen Zettel an der Tür des Gerichts.
Wer ist dieser Viktor Danilkin, der das Urteil in dem wichtigsten Fall der jüngeren russischen Justizgeschichte sprechen wird? Schon seit zehn Jahren geht Danilkin jeden Morgen den gleichen Weg zum Chamownitscheski-Gericht in der siebten Rostow-Gasse, im Zentrum von Moskau. Der 53-Jährige wohnt nicht weit entfernt. Danilkin hat einen sportlichen Gang. Er raucht nicht und verzichtet fast vollständig auf Alkohol. Seine Hobbys sind Fischen und Jagen. Der inzwischen auch über Russland hinaus bekannte Richter hat sich meist unter Kontrolle. Gegenüber den Rechtsanwälten ist er höflich. Doch in letzter Zeit wird er manchmal laut. Im Oktober schrie Danilkin sogar einmal den Staatsanwalt an. Dieser ziehe den Prozess künstlich in die Länge, schimpfte der Richter. Wenn Danilkin sich gut fühlt, dann flüstert er fast.
Der Vorsitzende des Bezirks-Gerichts im Zentrum von Moskau machte die gewöhnliche Karriere eines sowjetischen und dann russischen Juristen. Er beendete die Höhere Polizeischule und arbeitete dann als Ermittler in der Innenstadt von Moskau bei der Aufklärung von Verkehrsunfällen. Zum Schluss war Danilkin Abteilungsleiter. Im Juli 2000 wurde er dann per Präsidenten-Erlass zum Richter eines Bezirksgerichts ernannt. Zu Beginn seiner Amtszeit demonstrierte der Neuernannte Selbstständigkeit, schreibt das Wochenmagazin „New Times“. So lehnte er das vom Ermittlungskomitee des Innenministeriums angestrengte Strafverfahren gegen den Direktor der Firma Nikojl wegen angeblichen Diebstahls von mehreren Millionen Dollar als unbegründet ab.
Welches Urteil wird Danilkin nun im Prozess gegen den ehemaligen Yukos-Chef sprechen? Die Internetzeitung „Gazeta.ru“ beschreibt Danilkin als „unpolitisch“. Trotzdem werde er die Signale, die aus dem Kreml kommen, schon verstehen, so die Internetzeitung. Dem Richter könne nicht gleichgültig sein, wenn Putin erklärt, dass an den Händen von Chodorkowski Blut klebe. Allerdings geht es in diesem zweiten Verfahren nicht um Körperverletzung oder Mord, sondern um den Diebstahl von Öl.
Die Verteidiger von Chodorkowski kritisieren, dass Danilkin die Gesetze verletzt. So habe er sich geweigert, sieben von der Verteidigung vorgeschlagene Experten anzuhören, weil sie nicht kompetent seien. Der ehemalige Yukos-Chef sitzt seit 2003 im Gefängnis. Nächstes Jahr läuft seine erste Strafe aus. Ob Chodorkowski nun noch weitere sieben Jahre oder weniger Zeit im Gefängnis verbringen muss, wird nach Meinung der Anwälte im Kreml entschieden. Wie das Urteil auch ausfällt, auf Danilkin wartet schon eine Beförderung.
Meinung
Noch mehrere Jahre Gefängnis
Von SZ-Mitarbeiter Ulrich Heyden
Die Verschiebung der Urteilsverkündung im Prozess gegen den ehemaligen Yukos-Chef Michail Chodorkowski und seinen Geschäftspartner, Anton Lebedew, kam völlig überraschend. Offenbar will das Gericht mit der Verschiebung die internationale Aufmerksamkeit dämpfen, denn unmittelbar vor und nach den Neujahrsfeierlichkeiten sind die Menschen mit anderen Dingen beschäftigt. Ein Grund für die Verschiebung könnte aber auch sein, dass man im Kreml über ein angemessenes Strafmaß streitet. Vor ein paar Tagen meldete sich überraschend Medwedews Wirtschaftsberater Arkadi Dworkowitsch zu Wort und erklärte, er hätte es als damaliger stellvertretender Wirtschaftsminister bemerkt, wenn es bei Yukos einen Öldiebstahl gegeben hätte. Doch eine deutliche Minderung des Strafmaßes könnte für Putin als persönliche Niederlage wirken. Von daher muss man wohl davon ausgehen, dass der ehemalige Yukos-Chef noch mehrere Jahre im Gefängnis sitzen muss.
verröffentlicht in: Saarbrücker Zeitung