7. September 2004

Der Kampf ums Öl (NDR Info)

Super-Pipeline von Baku nach Ceyhan soll Ölversorgung des Westens sichern

NDR Info / Das Forum / 07.09.2004

Feature von Ulrich Heyden

Besetzung
Sprecher A
Sprecher B
Übersetzer
Übersetzerin

Atmo 1
(Hubschrauber unterblenden) 0:49

Sprecher A:
15 Männer sitzen dicht gedrängt im Hubschrauber der aserbaidschanischen Ölgesellschaft SÓCAR. Die braungebrannten Arbeiter sind auf dem Weg zu ihrer Ölplattform. Tief unter ihnen liegt das Kaspische Meer. Wie ein Spinnennetz ziehen sich kilometerlange Holzkonstruktionen mit Ölleitungen über das dunkle Blau. Eine Flugstunde von der Küste entfernt, tauchen die ersten rostigen Bohrinseln auf. Das Öl, welches hier gefördert wird, soll ab Anfang nächsten Jahres über eine rund 2.000 Kilometer lange Pipeline über den Kaukasus zum Mittelmeer gepumpt werden. Voraussichtlich 140.000 Tonnen Rohöl täglich. Vom türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan werden Tanker das schwarze Gold dann nach Europa und Amerika bringen.

Sprecher B:
Gebaut wird die Pipeline von einem westlichen Firmenkonsortium unter Federführung von British Petrolum. Tamám Bayatlý, BP-Sprecherin in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, hat große Erwartungen.

O-Ton 1b
“The BTC-capacity can be increased....“

Übersetzerin:

„Durch bestimmte Chemikalien oder neue Pumpstationen kann man die Kapazität der Pipeline erhöhen. (...) Bisher beträgt sie eine Million Barrel am Tag. Möglich sind 1,2 oder 1,5 Millionen Barrel (...)Deshalb würden wir weitere Öleinspeisungen von anderen transkaukasischen Ländern wie Kasachstan begrüßen. Es gibt Diskussionen zwischen Aserbaidschan und Kasachstan auch kasachisches Öl in die Pipeline einzuspeisen.“

Sprecher B:

Das 4-Milliarden-Euro-Projekt schließt die drittgrößten Ölvorkommen der Welt direkt an die westlichen Märkte an. Damit soll die Abhängigkeit von der OPEC, der Organisation der erdölexportierenden Staaten, vermindert werden.

Die beteiligten Konzerne planten zunächst die kürzeste Route zum Abtransport aserbaidschanischen Öls: durch den Iran zum Persischen Golf. Doch die USA setzten sich durch: Washington war an einer Streckenführung durch dem Westen zugewandte Staaten interessiert. Es lockte die Aussicht, das kaspische Öl mit einer eigenen Pipeline in den Westen zu schaffen und das russische Pipeline-Monopol außer Kraft zu setzen. Die nun festgelegte Pipeline-Route läuft durch Aserbaidschan, Georgien und die Türkei. Um das von Russland und dem Iran unterstützte Armenien macht die neue Energieader einen großen Bogen.

Atmo 3 (Treppensteigen unterblenden) 0:16

Sprecher A:

Die Bohrinsel Nr. 19 steht 30 Meter über dem Meeresboden. Die verschiedenen Stockwerke sind über steile Metalltreppen miteinander verbunden. Die höchsten Stellen der „Plattform“ sind der Hubschrauberlandeplatz und der Bohrturm. 50 Aserbaidschaner leben und arbeiten hier im Schichtbetrieb.

Eldár Ashkérow ist der Chef der „Nr. 19“. Der beleibte Mann mit dem Stoppelbart und dem gutmütigen Gesicht hat schon 20 offshore-Jahre hinter sich. Gelernt hat der 42-jährige an der Öl-Akademie von Baku. Die Hälfte des Jahres verbringt er auf der „Plattform“. In seinem Zwei-Raum-Office mit Schlafplatz hat er es sich gemütlich gemacht. Seine Frau hat ihm bunte Vorhänge genäht. Der Koch bringt dem Chef das Essen auf´s Zimmer. An den Wänden hängt ein Plakat des aserbaidschanischen Präsidenten Alíjew und ein Poster von Baku´s schöner Altstadt.

Eldár Ashkérow hat zwei erwachsene Kinder. Er bringt umgerechnet 270 Euro im Monat nach Hause. Über Sprechfunk hält er Verbindung zum Festland.

Atmo 4 (Gespräch über Funk, unterblenden) 0:07

Sprecher B:

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion begannen westliche Ölkonzerne die Lage im Kaspischen Raum zu sondieren. Die Hoffnungen waren groß. Vor 150 Jahren war Baku schon einmal Zentrum der weltweiten Ölförderung. Die Villen der Industriellen Rothschild und Nobel zeugen noch heute davon.

Im September 1994 schlossen westliche Ölmultis den sogenannten „Jahrhundertvertrag“ ab. Der Vertrag regelt die Erschließung von 800 Millionen Tonnen Erdöl aus drei aserbaidschanischen Ölvorkommen im Kaspischen Meer. Ein Jahr darauf folgte die Einigung auf das Pipeline-Projekt. Beides unter Federführung der BP. Die „Europäische Bank für Rekonstruktion und Entwicklung“ sowie die „Internationale Finanzkorporation“, ein Ableger der Weltbank, unterstützen den Bau der Pipeline. Das Reglement dieser Institute gestattet nur Beteiligungen an ökologisch einwandfreien Projekten. Leider lässt sich daraus nicht folgern, dass es sich bei dem Pipeline-Bau um ein solches ‚ökologisch einwandfreies Projekt’ handelt: Die Pipeline führt vorbei an Nationalparks und durch andere ökologisch sensible Gebiete. Experten des „World Wide Fund for Nature“ sind empört: Wer behaupte, seine Kredite unter ökologischen Gesichtspunkten zu vergeben, dürfe keinen Euro für die Pipeline bereitstellen.

Atmo 6a (Aserbaidschanische Musik)

Sprecher B:
Die Aussichten für Aserbaidschan scheinen aus wirtschaftlicher Sicht glänzend. Zur Zeit hat der Haushalt der transkaukasischen Republik nur Einnahmen von jährlich eineinhalb Milliarden Dollar. Das Öl-Business ist derzeit ein Zusatzgeschäft: 150 Millionen Dollar fließen jährlich in den Staatlichen Ölfond. Doch in ein paar Jahren, wenn sich die Investitionen amortisieren, erhofft sich die aserbaidschanische Regierung Gewinne von mehreren Milliarden Dollar. Doch die politische Opposition im Land kritisiert, dass der Ölreichtum nur einer kleinen Oberschicht zugute kommt. Der Großteil der acht Millionen Aserbaidschaner werde davon unberührt weiter in Armut leben.

Die Familie des aserbaidschanischen Präsidenten Ilhám Alíjew hat die Machtstrukturen fest im Griff und die politische Opposition völlig an den Rand gedrängt. Die 125 Sitze im Parlament gehören fast alle der Regierungspartei. Auf zwei kleine Oppositionsparteien entfallen nur neun Sitze. Eine öffentliche Kontrolle des staatlichen Öl-Fonds ist faktisch nicht möglich. Auf kritische Fragen reagiert der aserbaidschanische Präsident Ilhám Alíjew mit Lobeshymnen über die eigenen Leistungen.
O-Ton 2b („Neftenoí fond Aserbaidschána ...“)
„Der Ölfond von Aserbaidschan ist ein besonderes Beispiel für Transparenz. Jedes Jahr wird die Tätigkeit des Fonds von internationalen Wirtschaftsprüfern kontrolliert. Alle Informationen über Einnahmen und Ausgaben werden in der Presse veröffentlicht. Der Internationale Währungsfond und die Weltbank haben von der Transparenz des Ölfonds eine sehr hohe Meinung.“

Atmo 6 (Gassengeräusche) 0:19

Sprecher A:
In den Straßen von Baku fällt der Gegensatz zwischen unendlichem Reichtum und nacktem Elend ins Auge. Überall stehen Baukräne. Es entstehen neue Hochhäuser. In der Innenstadt schiebt sich der Verkehr nur zäh voran. Die Straßen sind voller schwarzer Edel-Jeeps und ausländischer Luxuswagen. An Bankomaten, teuren Restaurants und Boutiquen mit teuren Westmarken herrscht kein Mangel.

Atmo 6
0:19
(Gassengeräusche)

Sprecher A:
Doch auch die Armut in der Stadt ist nicht zu übersehen. Direkt im Zentrum leben Hunderte von Flüchtlingen aus der Gegend von Nagornij-Karabach ohne Strom und Wasser in einer mehrstöckigen Bauruine. Das Problem der Unterkünfte für die aserbaidschanischen Flüchtlinge aus den von Armeniern besetzten Gebieten ist noch nicht gelöst. Das Flüchtlingselend hat die Kindersterblichkeit in die Höhe getrieben. Aserbaidschan nimmt unter den ehemaligen Sowjetrepubliken den traurigen Spitzenplatz ein. Von 1.000 Neugeborenen sterben 74 Kinder im ersten Lebensjahr.

Sprecher B:
Sechs Jahre lang war der Politologe Eldár Namázow die rechte Hand des verstorbenen aserbaidschanischen Präsidenten Gajdar Alijew, dem Vater des Amtsinhabers. Er fädelte die Verträge mit den westlichen Öl-Multis ein und hat heute noch gute Kontakte zu Öl-Konzernen und westlichen Diplomaten. Doch mit der Alijew-Familie hat der Politologe gebrochen.

O-Ton 6
(Ja snim ne atnakrátna ...) 0:26
Übersetzer:
„Ich habe ihm 1997 und 98 mehrmals vorgeschlagen, die Innenpolitik zu ändern, (..) die Korruption zu bekämpfen, einen Dialog mit der Opposition zu führen, die Mittelschicht zu fördern. Er hörte nicht auf meine Vorschläge. Deshalb trat ich zurück.“

Sprecher B:
Als Präsident Gajdar Alijew schwer krank wurde, leitete er die Machtübergabe an seinen Sohn Ilham ein, der damals Chef der staatlichen Ölgesellschaft SOCÁR war. Ilham Alijéw wurde zum Regierungschef ernannt und im Oktober letzten Jahres in umstritten Wahlen zum neuen Präsidenten gewählt.

Kaum waren die ersten offiziellen Wahlergebnisse bekannt, kam es zu gewalttätigen Straßendemonstrationen. Auf die Proteste der Opposition reagiert die Regierung mit drakonischen Maßnahmen. In einem 60-Seiten-Bericht hat „Human Rights Watch“ das Vorgehen gegen die Opposition dokumentiert. Die Liste reicht von Behinderung der Oppositionskandidaten, einem brutalen Polizeieinsatz gegen Demonstranten, bei dem 300 Menschen verletzt und einer getötet wurde, bis hin zur Verhaftung von 1.000 Oppositionellen, darunter Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen und Journalisten. Dem Bericht nach wurden Regierungskritiker auch gefoltert.

Der Westen tut sich schwer das Demokratiedefizit in Aserbaidschan anzuklagen. Man möchte das Verhältnis zur derzeitigen Führung in Aserbaidschan nicht belasten. Die Geschäftsinteressen sollen nicht gefährdet werden. Unbeirrt arbeitet man weiter mit Präsident Alijew zusammen.

Atmo 6b
Geräusche aus der Fabrikhalle

Sprecher A:
Direkt in der Bucht von Baku hat sich eine deutsche Firma angesiedelt. Das Unternehmen Eupec aus Mühlheim hat hier in einer ehemaligen riesigen Lagerhalle eine Fertigungsstätte zur Beschichtung von Pipeline-Rohren aufgebaut. Sechs Meter hoch stapeln sich die Rohre unter freiem Himmel. In Japan produziert, werden sie hier in Baku korrosionsbeschichtet und bekommen einen Mantel aus Beton. 250 Arbeitsplätze wurden geschaffen.

Atmo 6b
Geräusche aus der Fabrikhalle

Sprecher A:
Die 16 Tonnen schweren und 12 Meter langen Rohre sollen die Bohrplattformen im Meer mit der Pipeline auf dem Land verbinden. Vor der Fabrikhalle am Kai liegt ein nagelneues Schiff für die Rohrverlegung, eine so genante ‚Lay-barge’. Eupec-Manager Walter Siegmund:

O-Ton 4b
„Diese Lay-barge wurde als Schrottschiff aus Kasachstan gebracht. Dann hat hier Mc Termit den Auftrag von BP bekommen, die Lay-barch aufzubauen. Das hat 65 Millionen Dollar gekostet.“

Sprecher A:
Die Lay-barge verlegt die Rohre auf dem Meeresboden in einem Tempo von 12 Metern pro Minute, rund um die Uhr, ohne Unterbrechung. Der ganze Prozess wird von Satelliten gesteuert. Während die Lay-barge vorankriecht, wird sie von vier Schiffen unterstützt.

Sprecher B:
Eupec ist eines von zahlreichen deutschen Unternehmen, welche an dem Pipeline-Projekt beteiligt sind. Nach Angaben der BP liegt das Auftragsvolumen der deutschen Firmen bei 250 Millionen Euro. Insgesamt sollen deutsche Hersteller etwa 140.000 Tonnen Rohre, 210 Rohrbögen und die Kompressorstationen liefern. Der Planung des türkischen Teilabschnitts, eine Strecke von 1.100 Kilometern, hat ein Ingenieurbüro aus München übernommen. Auch die Salzgitter AG und Siemens sind am Bau dieses Abschnitts beteiligt. Die Bundesregierung sichert die Aufträge durch Bürgschaften ab.
Atmo 6c
(Georgische Musik)
Sprecher B:
Nach Aserbaidschan führt die neue Energieader durch Georgien. Insgesamt 250 km läuft die Pipeline über das Territorium dieser Kaukasusrepublik. Unter dem im Oktober zurückgetretenen Staatspräsidenten Eduard Schewardnadse hatte die georgische Regierung Verträge mit BP ausgehandelt. Jetzt werden diese von den georgischen Umweltschützern heftig kritisiert werden, denn es gibt keine Pläne für den Umweltschutz.

Die Umweltaktivistin Manána Kochládze von der „Green Alternative“ in Tbilissi fürchtet, dass Erdbeben und Erdbewegungen zu Pipeline-Lekagen führen.

O-Ton 10
(The environmental risks...) 0:46
Übersetzerin:
„Die Umweltrisiken der Pipeline sind ziemlich groß. Wenn es ein Leck gibt, kommt es in Folge der Ölverschmutzung zu einem Desaster in Georgien. Es würde auch sehr große soziale und ökonomische Auswirkungen auf die Wirtschaft Georgiens geben, weil die Pipeline durch zwei sehr empfindliche Landstriche führt, wo Trinkwasser- und Mineralwasser gewonnen wird. Die Wirtschaft des einen Gebietes hängt vollständig von der Mineralwasserproduktion ab.“

Sprecher B:
Durch Proteste von Arbeitern und Anwohnern hat sich der Pipeline-Bau in Georgien erheblich verzögert. Arbeiter streikten wegen ausbleibender Löhne, Anwohner blockierten Baustellen, weil sie die versprochene Entschädigung nicht bekamen oder die Zerstörung ihrer Gründstücke durch schweres Baugerät fürchteten. In der Nähe des Borschómi-Tals kam es bereits mehrmals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dorfbewohner gingen mit Knüppeln und Steinen gegen die mit Schildern und Helmen ausgerüsteten Polizisten vor. Mehrere Ordnungshüter wurden verletzt. „Unser Dorf ist in Gefahr“, erklärte David Gogoládze aus dem Dorf Dgvári gegenüber dem Pressedienst des Londoner „Institut for War and Peace Reporting“. Die Baumaßnahmen und heftiger Regen könnten Erdbewegungen auslösen. Die 40 Tonnen schweren Baumaschinen würden die Erdkruste zerstören. Nach einem heftigen Regen könne ein ganzes Dorf ins Tal rutschen.

Außerdem befürchten die Anwohner, dass bei einer Öl-Leckage, die Quelle des berühmten Borschómi-Mineralwassers verseucht wird. Das Wasser gehört zu den georgischen Exportprodukten. Wenn es in Folge einer Öl-Leckage zu einer Verschmutzung des Wassers kommt, wären tausende von Arbeitsplätzen gefährdet.

Atmo 6e
(Baggergeräusche)

Sprecher B:
Im Bereich des Borschomi-Nationalparks muss die Energieader Höhen von 2.700 Metern überwinden. Ende Juli war die Arbeit an der Pipeline in diesem Gebiet auf Druck des georgischen Umweltministeriums eingestellt worden. Die georgische Regierung forderte von BP zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Umwelt.

Wie die britische Zeitung „Independent“ berichtete, wurde der Bau erst wieder aufgenommen, nachdem sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in die Angelegenheit eingemischt hatte. Nach Gesprächen mit Rumsfeld in Washington teilte der georgische Präsident Michail Saakaschwili gegenüber der Presse mit, British Petroleum habe erste Schritte unternommen, um die georgischen Forderungen zu erfüllen. BP versprach, die Pipeline tiefer zu verlegen und zusätzliche Sicherheitseinrichtungen zu installieren. Von der von Umweltschützern geforderten Routenänderung will der Ölkonzern jedoch weiterhin nichts wissen. Man will das Projekt in vorgegebenen Zeitrahmen fertig stellen und scheut zusätzliche Kosten.

Umweltexpertin Manána Kochládze kritisiert die vor zwei Jahren zwischen BP und der georgischen Regierung geschlossenen Verträge.

O-Ton 11
(The former president ....) 0:58
Übersetzerin:
„Der frühere Präsident Georgiens, Herr Schewardnadse, überging die Entscheidungen des Umweltministeriums. Im Ergebnis wurden sehr schlechte Bedingungen vereinbart. Das Umweltministerium verlor alle Möglichkeiten den Pipelinebau zu kontrollieren. (...) Das erste Abkommen zwischen der georgischen Regierung und British Petroleum widerspricht der nationalen Gesetzgebung. Wenn es einen Unfall gibt, darf British Petroleum sich über die georgischen Gesetze hinwegsetzen. Sie nutzen diese Möglichkeit auch in der Frage der Streckenführung.“

Sprecher B:
Die Pipeline-Strecke wird praktisch zu einem exterritorialen Gebiet, in welchem Georgien nichts mehr zu sagen hat. Das Abkommen sei erst nach der Unterzeichnung veröffentlicht worden, berichtet Manána Kochládze. Die georgischen Parlamentarier hatten so keine Möglichkeiten mehr, Änderungen vorzunehmen. Dass es überhaupt soweit kam, läge an der in Georgien weitverbreiteten Korruption. Außerdem seien die Juristen von BP den Juristen Georgiens fachlich überlegen gewesen.

O-Ton 12
(Actual there is no more legal ….) 0:39
Übersetzerin
„Zur Zeit gibt es keine legalen Möglichkeiten mehr den Pipeline-Bau in dem Gebiet zu ändern. (...) Das technische Design des Projekts haben wir bisher nicht gesehen. Zur Zeit achten wir besonders auf die Auswirkungen der Pipeline auf die Bevölkerung. In neun Fällen haben wir Beanstandungen (...) vorgebracht, in zwei Fällen klagen wir gegen die British Petroleum wegen der Verletzung des Umweltrechts.“

Sprecher B:
Im Fall einer Öl-Leckage gibt es keinen Mechanismus für die Entschädigung der Bevölkerung, meint die Expertin.

O-Ton 13
(In this case, it is admitted, .…) 0:43
Übersetzerin:
„In diesem Fall verletzt BP nicht nur nationale sondern auch internationale Gesetzgebung und ihre eigenen Bestimmungen. Ich kann sagen, dass das deutsche Umweltministerium wirklich gute Arbeit geleistet hat, in dem es das georgische Umweltministerium bei der Umwelt-Expertise unterstützt hat. Aber letztendlich gab es nur zwei Institutionen, welche auf die BP hätten Einfluss nehmen können, das war die Weltbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Sie genehmigten das Projekt, trotz der hohen Risiken.“

Sprecher B:
Georgien verspricht sich von der Öl-Pipeline hohe Transfereinnahmen, nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 50 und 80 Millionen Dollar im Jahr. Von einer Gas-Pipeline, die parallel zur Öl-Pipeline gebaut werden soll, erhofft sich das Land außerdem Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Fünf Prozent des Pipeline-Gases dürfen die Georgier als Transfergebühr selbst verbrauchen. Die Ökologin Manána Kolchládze meint aber, die Einnahmen für das Öl würden sehr gering ausfallen, weil ein großer Teil für die Sicherheitsvorkehrungen verbraucht wird. Man müsse ausländische Experten anwerben. Auch sei eine Überwachung der Pipeline mit Satelliten geplant. An der Energieader befestigte Sensoren sollen jede Erschütterung registrieren und verhindern, dass die Pipeline von Öldieben oder Terroristen angebohrt wird.

Der georgische Politologe Alexander Rondeli, Präsident der „Stiftung für strategische und internationale Studien“ in Tbilissi steht den Umwelt- und Sicherheitsbedenken gelassener gegenüber:

O-Ton 14
(You know, there are always someone...) 0:25
Übersetzer:
„Es gibt immer Jemanden, der mit der Pipeline nicht zufrieden ist. Jede Pipeline hat Rivalen und Feinde. (...) Russland war immer gegen die neue Pipeline. Beim Transport von Energieressourcen in den Westen war Russland Monopolist.“

Sprecher B:
Mit dem Pipeline-Projekt, so hofft der Politologe, werde Georgien in das westliche Sicherheitssystem integriert.

O-Ton 15
(After this pipeline is completed ...) 1:09
Übersetzer:
„Nach der Fertigstellung der Öl-Pipeline und der Fertigstellung einer zweiten Pipeline, einer Gas-Pipeline, wird sich die Sicherheitslage in der Region ändern, weil diese Pipelines für die westlichen Länder wichtig sind. (...) Die Balance of Power in der Region wird sich ändern. (...) Russland war der wichtigste „Security Player“ in der Region. Mit der Pipeline wird Russlands Rolle geschwächt. (...) Bisher sind wir von Russlands Energie abhängig. Wenn Russland Druck ausüben will, dreht es das Gas ab.“

Atmo 2
(Maschinenlärm, Chef von „Nr. 19“ berichtet über die Arbeit der Bohrinsel)

Sprecher A:
Eldár Ashkérow, der Chef von Bohrinsel Nr. 19 ist von diesen Diskussionen weit entfernt. Seit drei Jahren liefert die „Bohrplattform“ Öl ans Festland. Schon sechs Löcher haben die Arbeiter in den Meeresgrund gebohrt. Jetzt befindet sich der Bohrmeißel in 1.900 Meter Tiefe. Ein uralter Sowjet-Computer überwacht die Bohrung durch Lehm und Ölsand. Es ist ein gefährliches Unternehmen. Manchmal frisst sich der Bohrmeißel fest. Dann muss er zurückgezogen werden. Die Bohrstelle wird mit speziellen Mitteln bearbeitet und dann geht es weiter. Die Energie für die Bohrung liefert ein mächtiger bordeigener Generator der 800 Kilowatt Strom erzeugt.

Atmo 5
(Generator, unterblenden) 0:23

O-Ton 1
(Snatschála idjót vertikálnaja ....) 0:15
Übersetzer:
„Am Anfang verläuft das Rohr vertikal. Danach wird es mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung gebogen und in die gewünschte Richtung gebracht. Wir müssen einen Kreis von 50 Meter Durchmesser treffen. Der Punkt kann einen Kilometer von der Plattform entfernt sein.“

Sprecher A:
Auf diese Weise können Stellen, die bis zu einem Kilometer von der Bohrinsel entfernt liegen, erreicht werden, erklärt der Förderingenieur. Die Arbeiter nennen diese Technologie „Strauch-Verfahren“. Wie Äste eines umgedrehten Strauchs verlaufen die Bohrrohre von der Plattform in verschiedene Richtungen zum Meeresboden.

Atmo 6d
(Türkische Musik)

Sprecher B:
Das dritte Land, durch welches sich die Pipeline erstreckt, ist die Türkei. Auch hier laufen die Rohre durch ökologisch sensible Gegenden, wie das Naturschutzgebiet Posof. Außerdem führt die Energieader durch die von Erdbebeben bedrohte nordanatolische Spalte. Im Taurus-Gebirge sollen die Rohre 2.800 Höhenmeter überwinden, um dann auf Meeresniveau zu sinken. Eine technische Herausforderung.

Die Türkei hofft mit dem Pipeline-Projekt ihre Stellung als Regionalmacht zu stärken. Für die USA ist die Türkei neben Israel der wichtigste Verbündete in der Region. An dem internationalen Konsortium, welches das Öl im Kaspischen Meer fördert, ist die staatliche „Turkish Petroleum Corporation“ mit einem Anteil von fast sieben Prozent beteiligt.

Die Türkei wird nicht nur Transitland für das „schwarze Gold“. Sie will ebenfalls aserbaidschanisches Öl nutzen, um von den OPEC-Staaten unabhängiger zu werden. Verschiedene türkische Raffinerieunternehmen wollen am Zielpunkt der Pipeline, dem Mittelmeerhafen Ceyhan, Standorte aufbauen.

Auch in der Türkei wurde bei der Planung der Energieader auf die Interessen der Anwohner keine besondere Rücksicht genommen. „Amnesty International“ hat die Pipeline-Verträge untersucht und kommt zu dem Schluss, dass das öffentliche Interesse in den Verträgen praktisch nicht berücksichtigt wurde. Dem Staat wird das Recht eingeräumt, Landbesitzer zu enteignen, wenn dies für den Bau der Pipeline erforderlich ist. Menschenrechtler und Ökologen kritisieren, dass mit den Pipeline-Verträgen ein paralleles Rechtssystem geschaffen wird, welches den Unternehmen mehr Rechte gibt als der ortsansässigen Bevölkerung.

Es gibt mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen, welche den Bau der Pipeline beobachten. Dies geschieht oft unter hohem Risiko. Die türkischen Sicherheitskräfte reagieren empfindlich auf ungebetene Beobachter. Im letzten Jahr wurden italienische und britische Umweltaktivisten von der türkischen Polizei verfolgt und aufgehalten.

Die Sicherheitsprobleme in der Türkei sind groß. Die Pipeline verläuft durch kurdische Gebiete. In zwei Provinzen herrscht immer noch der militärische Ausnahmezustand. Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass im Nordosten der Türkei – wo die Kurden 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen - die Zahl willkürlicher Verhaftungen zugenommen hat. Vor kurzem hat die Nachfolgeorganisation der kurdischen PKK den vor fünf Jahren verkündeten Waffenstillstand aufgekündigt. Die Separatistenorganisation Kongra-Gel drohte in einer Erklärung, die Türkei sei ein „riskantes Land für wirtschaftliche Investitionen und den Tourismus.“

Atmo 5
(Generator, unterblenden) 0:23

Sprecher A:
Die Arbeit auf einer Bohrinsel ist gefährlich. Es kann jederzeit zu einem „außerordentlichen Ereignis“ kommen, wie die Arbeiter sagen. Vor ein paar Jahren, da hat er einen solchen Unfall meistern müssen, berichtet Eldar Ashkerow, der Chef der Bohrinsel Nr. 19.

O-Ton 2
(Ja wídel fontána, otkríta fontána ....) 0:35
Übersetzer:
„Auf der achten Plattform gab es eine offene Gas-Fontäne. (....) Wir haben es aber geschafft, das Loch zu schließen, bevor sich die Fontäne entzündete. Das war alles schrecklich. (...) Es gab ein furchtbares Pfeifgeräusch. Durch das Gas wurden Lehmstücke 50 Meter hoch in die Luft geschleudert. Dann fielen sie uns auf den Kopf. (...) Das war wie Amagedon, wie der Weltuntergang. Ich hatte nur ein Gefühl, ich muss das stoppen, sonst entzündet es sich. Ich war damals Meister der Bohrstelle.“

Atmo 6e
(Baggergeräusche)

Sprecher A:
Unterdessen wird an der Energieader weiter gebaut. Motorsägen schlagen Schneisen in Fichtenwälder, tonnenschwere Bagger heben Gräben aus, Raupen schieben Erde zur Seite. Mit Spezialgeräten werden die Rohre in die Gräben hinabgelassen und verschweißt. Dann wird Erde über die Schächte geschoben.
British Petroleum hat versprochen, für die Bauarbeiten einen Korridor von nicht mehr als 58 Meter zu nutzen. Nach Abschluss der Arbeiten werde man das Land rekultivieren und zur Nutzung an die Besitzer zurückgeben. Doch ob die Narbe durch Wiesen und Wälder jemals verheilt, ist ungewiss.

Atmo 6f
(Georgische Musik)
Sprecher B:
Wird die Pipeline den drei Ländern den erhofften Wohlstand bringen? Wird sich die Sicherheitslage, wie von Experten erhofft stabilisieren? Ist das Mammut-Projekt umweltverträglich, wie von dem Konsortium der Öl-Multis behauptet wird? Oder muss man den Befürchtungen von Umweltschützern und Menschenrechtsorganisationen mehr Aufmerksamkeit schenken?

Die ehemaligen Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Georgien haben bisher keine entwickelten demokratischen Strukturen. Eine Öffentlichkeit außerhalb der Regierungsapparate hat sich in diesen Ländern noch nicht entwickelt. Schon jetzt ist absehbar, dass die Bürger auf das Pipeline-Projekt und die Kontrolle der Transfereinnahmen keinen Einfluss haben. Die Länder, welche die Energieader durchquert, haben sich auf Knebelverträge eingelassen, deren Konsequenz sich vermutlich erst in Konfliktsituationen in vollem Ausmaß zeigen wird. Im Falle von Ölverschmutzungen sollen die Betreiber der Pipeline nicht belangt werden können. Die Regierungen der drei Länder sollen nur in absoluten Notfällen einschreiten dürfen, etwa wenn die Bevölkerung essentiell bedroht ist.

Die Mächtigen folgen ihren Geschäftsinteressen. Die Situation der Menschen vor Ort ist von geringem Interesse.

Sprecher A:
Die USA erklärten den Kaukasus schon Ende der 90er Jahre zur „geostrategischen Einflusszone“. Im Zuge des Afghanistan-Krieges konnten die Vereinigten Staaten ihre Position in der Region weiter ausbauen. Moskau beobachtet diese Entwicklung mit Missfallen. Während Armenien Russland weiterhin die Treue hält, schwindet der Einfluss in Georgien immer mehr, auch wenn jede Gelegenheit genutzt wird, sich einzumischen. So etwa, als der ehemalige russische Außenminister Iwanow im Herbst letzten Jahres in Verhandlungen den Rücktritt von Präsident Schewardnadse erreichte.

Der Kreml sieht seinen Einfluss im Transkaukasus schwinden. An seinen letzten Bastionen – dazu gehören die Militärbasen in Georgien – hält man verbissen fest. Einflussreiche Kreise aus Moskau unterstützen die von Separatisten regierten georgischen Provinzen. An einem durch Ölgeschäfte erstarkten Georgien hat in Moskau niemand Interesse.

Sprecher B:
Das Ringen von Moskau und Washington um Einfluss in Georgien ist nicht die beste Voraussetzung für ein Milliarden-Projekt mit internationaler Bedeutung. Solange es im Kaukasus keine Stabilität gibt, ist auch die Energieversorgung mit kaspischen Öl nicht gesichert.

Atmo 7
(Hubschrauber, wie Atmo 1)

Sprecher A:
Auf der Bohrplattform Nr. 19 im Kaspischen Meer startet der Hubschrauber. Eine Gruppe von Arbeitern mit sonnengegerbten Gesichtern fliegt zurück nach Baku. Der Dieselgenerator dröhnt weiter. Die Bohrinsel vibriert 24 Stunden am Tag. Fische fangen ist verboten. Die Arbeiter freuen sich darauf, für ein paar Tage zu ihren Familien zurück zu kehren. Sie freuen sich auf Baku, mit seiner langen Promenade, den Palmen, Blumen und der verwinkelten Altstadt. Die große Politik ist nicht ihr Thema.


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