Der Opel-Käufer
Der Chef der russischen Sperbank, German Gref, hat für Wladimir Putin schon manche Missionen übernommen, aber noch nie waren die Risiken so hoch wie jetzt bei Opel
In Osteuropa ist die russischen Sperbank so etwas wie ein Global Player mit 250 Millionen privaten Klienten und über einer Million Geschäftskunden. Da aber das Erreichte nie das Erreichbare sein kann, will Sberbank-Generaldirektor, der 45-jährige German Oskarowitsch Gref, nun zusammen mit dem kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna die Opel-Werke in Europa kaufen. Dabei ist es durchaus möglich, dass eines der einflussreichsten russischen Finanzinstitute nur als Zwischenhändler agiert. „Wir haben das Recht, die Aktien an die Außenhandelsbank oder an GAZ [russisches Autounternehmen - d. Red] zu verkaufen“, erklärte Gref vor wenigen Tagen gegenüber dem Moskauer Wirtschaftsblatt Wedomosti.
Wie in Moskau kolportiert wird, scheint Gref den Opel-Kauf nicht unbedingt mit einem Gefühl größter Sicherheit voranzutreiben. Angeblich fürchtet der Russlanddeutsche Risiken für sein Bankhaus, dass im zweiten Quartal einen starken Gewinneinbruch hinnehmen musste. Der Nettogewinn fiel von 35,9 Milliarden Rubel im Vorjahr (etwa 800 Millionen Euro) auf magere 5,4 Milliarden Rubel (etwa 119 Millionen Euro). Dennoch preist Gref gegenüber Wedomosti das Geschäft als richtige Entscheidung. „Es ist wichtig für Russlands Integration in die Weltwirtschaft. Dieses Geschäft zielt in die Zukunft.“
Karriere der großen Sprünge
German Gref wurde in dem kleinen Dorf Panfilowo in Nord-Kasachstan in einer russlanddeutschen Familie geboren. Seine Eltern waren 1941 aus dem ostukrainischen Donbass nach Kasachstan deportiert worden. Seinen Wehrdienst leistete Gref in einer Sondereinheit des sowjetischen Innenministeriums, angeblich als Scharfschütze. Nach dem Jura-Studium in der sibirischen Stadt Omsk wechselte er 1990 wegen seiner Jura-Dissertation an die Universität von St. Petersburg, wo er Wladimir Putin kennenlernte, der damals für Anatoli Sobtschak, den Rektor der Universität und späteren Bürgermeister von St. Petersburg, als Helfer arbeitete. Die Freundschaft mit dem späteren Präsidenten hält seit vielen Jahren. Im Jahr 2000, nach dem Abgang von Boris Jelzins, gehörte Gref zum Wahlkampfstab Putins.
In St. Petersburg arbeitete Gref zunächst als juristischer Berater der Stadtverwaltung im Vorstadt-Bezirk Peterhof – 1992 wurde er in diesem Distrikt zum Leiter des Komitees für Stadteigentum. Es folgte eine Karriere der großen Sprünge. 1994 arbeitete German Oskarowitsch bereits direkt in der Petersburger Stadtverwaltung und bemühte sich um eine Reform der Wohnungsbewirtschaftung, die allerdings scheiterte.
Den Staat heraushalten
Schon in den frühen neunziger Jahren stieß Gref zur Gruppe der Wirtschaftsreformer um den Liberalen Anatoli Tschubajs und gab sich als Anhänger eines schnellen russischen Beitritts in die Welthandelsorganisation (WTO) zu erkennen. Im August 1998 schließlich avancierte er auf Empfehlung von Tschubajs zum stellvertretende Minister der Föderation für Staatseigentum. Gref war bald ein erfahrener Beamter und etablierter Verwalter, dem es nicht schwerfiel, die häufigen Wechsel der Ministerpräsidenten, wie sie gegen Ende der Ära Jelzin zum Alltag der russischen Politik gehörten, ohne Karriereknick zu überstehen. Von 2000 bis 2007 war er Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Handel und machte nie ein Hehl aus seiner Auffassung, der Staat solle in der Ökonomie nur die Rahmenbedingungen schaffen und sich ansonsten aus dem Wirtschaftsleben heraushalten. Diese Position führte zu einem scharfen Konflikt mit Premierminister Michail Fradkow (2004 bis 2007), der heute die russische Auslands-Spionage leitet.
In seiner Zeit als Chef des Wirtschaftsressorts baute Gref gemeinsam mit Finanzminister Aleksej Kudrin den russischen Stabilisierungsfonds auf, der bis heute die staatlichen Einkünften beim Öl- und Gasgeschäft aufsaugt, zur Tilgung von Auslandsschulden dient und seit Ausbruch der Finanzkrise auch als wichtigen Kapitalreserve für angeschlagene Banken und Großunternehmen gilt. In diesem System kann die Sberbank eine strategische Position beanspruchen und ein möglicher Opel-Kauf dazu führen, sie weiter auszubauen – oder zu verlieren.
"der Freitag"