Die erste Frau im Weltraum will weiter
Kosmonautin Walentina Tereschkowa träumt vom Mars
Von Ulrich Heyden aus Moskau
Heute ist es genau 50 Jahre her: Am 16. Juni 1963 startete das sowjetrussische Raumschiff Wostok 6 mit Walentina Tereschkowa an Bord. Vorgestern fuhr Tereschkowa noch einmal in einer offenen schwarzen Tschaika-Limousine durch Moskau, fast auf der genau gleichen Strecke, wie vor 50 Jahren, als der frischgebackenen 26-jдhrigen Kosmonautin Zehntausende zujubelten. Viele Kinder, die damals geboren wurden, bekamen von ihren Eltern den Namen Walentina.
Sie erinnere sich noch gut an die jubelnden Menschen, erzählte die 76-Jährige am Freitag, als sie am Denkmal des ersten Kosmonauten, Juri Gagarin, am Leninski Prospekt rote Rosen niederlegte. Später traf sie Präsident Wladimir Putin.
Vor 50 Jahren saß in der Tschaika-Limousine neben Tereschkowa auch der sowjetische Staatschef, Nikita Chruschtschow. Er hatte «Valja» unter den fünf Kandidatinnen persönlich ausgesucht. Entscheidendes Kriterium war, dass Walentina aus einer Bauern-Familie kam, selbst Textilarbeiterin war und ihr Vater im Krieg als Soldat gedient hatte. In einem Gespräch per Funk in den Weltraum sagte Chruschtschow: «Valja, Valentina,ich bin väterlich stolz auf Dich.»
Mit den vier Kolleginnen, mit denen Walentina vor 50 Jahren gemeinsam für den ersten Weltraumflug einer Frau trainiert hatte, wohnt die erste russische Kosmonautin noch heute im «Sternenstädtchen», dem russischen Weltraumzentrum bei Moskau.
Tereschkowa hat auf ihrem Flug einiges durchmachen müssen. In ihrem Raumschiff waren Kabel falsch verlegt worden, sodass sich Wostok 6 von der Erde immer mehr entfernte. Walentina musste den Fehler korrigieren, versprach dem sowjetischen Weltraum-Chef Sergej Koroljow aber,über das Malheur zu schweigen. Dreissig Jahre lang hielt Walentina dieses Versprechen.
Bei der Landung gab es einen weiteren Zwischenfall. Walentina wurde in sieben Kilometer Höhe aus ihrem Raumschiff katapultiert. Als sie auf der Erde landete, schlug ihr falsch konstruierter Helm auf ihre Schläfe und hinterließ einen blauen Fleck. Nach der Landung labte sich Walentina entgegen den Bestimmungen erst mal an frischer Milch von Bauern.
Sie ist nach ihrem ersten Flug nie wieder im All gewesen. Auch aus einer Karriere als Flugzeug-Pilotin wurde nichts. Dafür machte sie eine wissenschaftliche Karriere an einem Raumfahrtinstitut.
Heute sitzt die berühmte Kosmonautin als Abgeordnete der Kreml-Partei «Einiges Russland» in der Duma. Vom Weltraum träumt Walentina immer noch. Auf einer Pressekonferenz vor einigen Tagen erklärte die ehemalige Kosmonautin, ihr Traum sei es, zum Mars zu fliegen. Sie möchte herausfinden, ob es dort Leben gibt und welche Katastrophe sich auf dem Roten Planeten ereignet hat. Für den ersten Flug auf den Mars gäbe es wahrscheinlich kein Rückfahrt-Ticket, «aber ich bin bereit zu fliegen», erklärte Russlands erste Frau im Weltraum.
Veröffentlicht in: Schweiz am Sonntag