Tausend Flüsse überquert
Die Ökologen haben von Anfang an vor dem Riesen-Projekt gewarnt. Ein Problem ist die seismische Situation auf der Insel. Es kommt häufig zu kleinen Beben, manchmal auch zu großen, wie im August 2007, als in dem Ort Newel an der West-Küste von Sachalin zahlreiche Häuser zerstört wurden und eine Felsplatte aus dem Meer auftauchte. Shell-Manager Bert Christoffels spürte das Beben auch an seinem Arbeitsplatz in der Gebietshauptstadt Juschno-Sachalinsk. „Ich fühlte, dass alles vibrierte.“ Doch die Probleme ließen sich meistern. Die Aufbauten der Bohrplattformen im Meer ruhten auf einer Vorrichtung, die Erdstöße ausgleichen könne. Und die Rohre der Pipeline seien unterirdisch in einem speziellen Sand-Bett gelagert, so dass sich die Rohre bei Erdstößen bewegen können.
Dmitri Lisitsyn, der Chef der „Ökologischen Wache Sachalin“, kritisiert das Projekt. Bei der Verlegung der Pipeline habe man über tausend Flüsse überqueren müssen, berichtet der Umweltschützer. Dabei seien viele Fehler gemacht worden. Die Laichplätze der Lachse in den Flüssen seien durch das Aufwühlen des Flussbettes gefährdet. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass es bei der Pipeline zu Leckagen kommt, denn 100 Kilometer der Energieader laufen durch bergiges Gelände und dort gäbe es häufig Erdverschiebungen und Schlammlawinen.
Warnendes Beispiel ist für den Umweltschützer das staatliche Öl-Unternehmen Rosneft, das schon seit 80 Jahren Öl auf Sachalin fördert und sich nicht um die Umwelt kümmerte. 1995 kam es bei Stadt Neftegorsk im Norden von Sachalin zu einem schrecklichen Erdbeben. 2.000 der insgesamt 3.000 Einwohner starben. „Die Pipelines von Rosneft hatten damals 200 Lecks,“ so der Ökologe. Für die Insel war es eine Tragödie. Die Stadt Neftegorsk wurde nicht wieder aufgebaut.
Was die Umwelt betrifft, habe man sich nichts vorzuwerfen, meint Shell-Manager Christoffels. Die Öl- und Gas-Pipeline habe man extra 20 Kilometer weiter südlich verlegt, um das Futtergebiet der westpazifischen Grauwale zu schützen.
Ulrich Heyden
veröffentlicht in: Eurasisches Magazin