21. May 2025

EU-Sanktionen gegen deutsche Blogger: Bestrafe zwei, ängstige Viele (Overton-Magazin)

Alina Lipp. Screenshot aus einem YouTube-Video
Foto: Alina Lipp. Screenshot aus einem YouTube-Video

21. Mai 2025  32 Kommentare

Die EU hat die beiden in Russland lebenden deutschen Blogger und Journalisten Alina Lipp und Thomas Röper auf die Sanktionsliste gesetzt und wirft ihnen Verbreitung von Fehlinformationen oder russischer Propaganda vor. Ein Kommentar.

Die Ereignisse in der EU und Russland überschlagen sich. Eine historische Zäsur jagt die nächste. Die EU hat mir ihrem 17. Sanktionspaket gegen Russland einen gewaltigen Schritt in Richtung Abbau der Meinungsfreiheit in Deutschland gemacht. Sie hat die beiden in Russland lebenden deutschen Blogger und Journalisten Alina Lipp und Thomas Röper auf die Sanktionsliste nach dem Beschluss (GASP) 2024/2643 des Rates vom 8. Oktober 2024 über restriktive Maßnahmen angesichts der destabilisierenden Aktivitäten Russlands gesetzt. Zu den 21 natürlichen Personen, gegen die Sanktionen erlassen wurden, gehören auch russische Journalisten, denen beispielsweise „Informationsmanipulation“ vorgeworfen wird.

Die EU Mitgliedstaaten müssen nach dem Beschluss die Maßnahmen ergreifen, „die erforderlich sind, um zu verhindern, dass im Anhang aufgeführte natürliche Personen in ihr Hoheitsgebiet einreisen oder durch ihr Hoheitsgebiet durchreisen“. Noch ist unklar ob gegen die beiden Blogger auch ein Einreiseverbot nach Deutschland verhängt wurde, wie gegen die anderen im 17. Sanktionspaket genannten Personen. Aber so gut wie sicher ist, dass Spenden aus Deutschland für die Medienprojekte von Röper und Lipp unter die Sanktionen fallen.

Die Begründung der EU

Alina Lipp, die seit mehreren Jahren in Russland lebt, und von dort ihren Blog „Neues Aus Russland“ betreibt, wirft die EU vor, sie verbreite „systematisch Fehlinformationen über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine“, sie spreche der „ukrainischen Regierung die Legitimierung ab“, sie betreibe „Manipulation der öffentlichen Meinung in Deutschland“, sie nutze „ihre Rolle als Kriegskorrespondentin mit den russischen Streitkräften im Osten der Ukraine“, und sie trete „regelmäßig in Truppenunterhaltungs- und Propagandasendungen im russischen militärischen Fernsehsender Zvezda auf“. Daher „untergrabe und bedrohe“ sie „die Sicherheit und Stabilität in der Union und in einem Drittland (Ukraine)“.

Ähnlich lauten die Vorwürfe gegen Thomas Röper, der die Website Anti-Spiegel.ru betreibt. Er legitimiere „die illegale Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland, indem er als ‚Wahlbeobachter‘ fungierte und an einer Kampagne zur Förderung des illegalen Referendums Russlands über die Abspaltung der von Russland besetzten Gebiete von der Ukraine teilnahm“. Außerdem diene er „als Sprecher für die Regierung der Russischen Föderation zur Verbreitung russischer Propaganda-Narrative“.

Ich fühle mich auch angesprochen, denn auch ich war schon mal zu einer Sendung bei Zvezda eingeladen. Auch ich habe über die Referenden in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk berichtet, und das sogar für RT DE. In meinen Artikeln für alternative deutsche Medien versuche ich fair und ohne Schaum vor dem Mund über Russland und die Ziele russischer Politik zu berichten.

Die dürren Reaktionen der großen deutschen Medien

Der „Tagesspiegel“ versuchte, die Sanktionen gegen Röper und Lipp nicht so schlimm aussehen zu lassen. Er schrieb in seiner Kurznachricht: „Aus EU-Kreisen hieß es, eine Einreise nach Deutschland werde für die zwei Personen weiter möglich sein, aber dann keine Weiterreise mehr in andere EU-Staaten.“

Die „Süddeutsche“ berichtete über die faktische Ausbürgerung mit knappen drei Sätzen.

„Die tageszeitung“, das Leib- und Magenblatt der Grünen Partei, schwieg zu der faktischen Ausbürgerung, was besonders erstaunt, war die sanktionierte Alina Lipp doch mal Mitglied der Grünen Partei. Auch die „Junge Welt“ berichtete nicht über den historisch einmaligen Fall.

Nur t-online.de brachte einen ausführlichen Bericht ihres Experten für russische „Spione“ und „Einflussagenten“, Lars Wieland. Dieser versuchte die Anschuldigungen der EU gegen Röper und Lipp noch zu toppen, indem er ihnen Verbindungen zum Compact Magazin und der AfD andichtete.

Fassen wir zusammen: Nach jahrelangen Verleumdungen gegen die beiden in Russland lebenden Journalisten wollen die großen deutschen Medien jetzt nur am Rande oder gar nicht über die Sanktionen berichten. Dabei haben sie doch mit ihren Enthüllungsgeschichten über Röper und Lipp jahrelang den Boden für die faktische Ausbürgerung bereitet. Doch offenbar fürchten die Redaktionen nun unangenehme Fragen der Leser, die nicht passen zum Image von Deutschland als „letztem Leuchtturm“ von Demokratie und Meinungsfreiheit in der Welt.

Warum dieser drastische Schritt gegen zwei Blogger?

Brüssel und Berlin reicht es offenbar nicht, dass RT DE der Sendebetrieb in Deutschland untersagt wurde. Es reicht ihnen auch nicht, dass es in den Redaktionen der großen deutschen Medien fast Niemand mehr wagt, gegen die staatlich organisierte Russophobie aufzutreten und über faschistische Tendenzen in der Ukraine zu berichten wie noch 2014.

Berlin und Brüssel wollen – für alle Fälle – ein Exempel statuieren, an zwei Journalisten, die für ihre offene Sprache bekannt sind und viele Leser haben. Der Zweck der Übung: Wir bestrafen zwei, damit tausend andere sehen, was passieren kann, wenn man bei der Hetze gegen Russland nicht mitmacht.

Die Rechnung könnte kurzfristig aufgehen. Aber langfristig wird das Image von Deutschland schweren Schaden erleiden. Es ist wohl nicht beabsichtigt, aber die Sanktionen gegen Röper und Lipp sind Wasser auf die Mühlen der russischen Propaganda.

Manche vergleichen die drohenden Sanktionen gegen Lipp und Röper mit der Ausbürgerung des Sängers Wolf Biermann aus der DDR, 1976. Aber ich denke eher an die Zeit des deutschen Faschismus 1933 bis 1945, als 1500 deutsche Schriftsteller ins Exil flüchteten. Unter ihnen waren Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Anna Seghers, Franz Werfel und Robert Musil.

Die Sanktionen gegen Röper und Lipp haben den gleichen ideologischen Hintergrund wie die Verfolgung von deutschen Schriftstellern in der Zeit des Faschismus, Russophobie, Expansions- und Kriegslust.

veröffentlicht in: Overton-Magazin

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