Feiertag mit schalem Beigeschmack
Ehrungen und Festnahmen an russischem National-Feiertag
Früher war es der 7. November, der Tag der Revolution, an dem gefeiert wurde. Heute ist der 4. November, der „Tag der nationalen Einheit“ arbeitsfrei, aber nur wenige Russen wissen, was da seit drei Jahren eigentlich gefeiert wird. 1612 wurde Moskau von polnischen Truppen befreit. Als 2004 die orangene Revolution von Kiew nach Moskau überzuspringen drohte, setzte Putin schnell den neuen Feiertag an.
Während Russlands Präsident Dmitri Medwedjew im Kreml Auszeichnungen für Künstler verlieh, die sich für die russische Kultur im Ausland Verdienste erworben haben - Orden bekamen unter anderem der deutsche Regisseur Peter Stein und der in New York lebende Konzept- und Dissidenten-Künstler Ilja Kabakow -, veranstalteten Rechtsradikale der „Bewegung gegen illegale Immigration“ (DPNI) in der Moskauer Innenstadt nicht genehmigte Demonstrationen, bei denen es zu heftigen Auseinandersetzungen mit Polizisten der Sondereinheit OMON kam. Nach Mitteilung der Moskauer Innenbehörde wurden 400 Personen, von denen Viele offenbar direkt zum Kreml demonstrieren wollten, festgenommen. Zu gleicher Zeit veranstalteten Rechtsradikale und Nationalisten am Ufer der Moskwa, in einem nur wenig belebten Viertel, einen von der Stadtverwaltung genehmigten „Russischen Marsch“. Auch in St. Petersburg, Krasnojarsk und Nowosibirsk fanden „Russische Märsche“ statt, allerdings mit nur wenigen Hundert Teilnehmern.
Die russischen Rechtsradikalen versuchen Stimmung gegen Gastarbeiter aus Tadschikistan und Usbekistan zu machen. In den Moskauer Zeitungen wird bereits vor Zusammenstößen gewarnt, wenn es im Zuge der Finanzkrise zu Massenentlassungen von Gastarbeitern kommt. Doch bisher wurden kaum Fälle von Gastarbeiter-Gewalt dokumentiert, dafür zahlreiche Überfälle von Neonazis. Das Moskauer SOVA-Zentrum, welches rassistische und neonazistische Gewalttaten dokumentiert, teilte mit, dass im September und Oktober in Russland 46 Menschen Opfer derartiger Überfälle wurden. Neun Menschen starben.
Auf einer von Kreml-nahen Organisationen veranstalteten Kundgebung - nicht weit vom Roten Platz - versammelten sich gestern 5000 Menschen. In einer Rede verglich der Vorsitzende des Duma-Sozial-Komitees Andrej Isajew die 1990er Jahre unter Jelzin mit der "Zeit der Wirren" vor 1612, als Moskau von polnischen Truppen besetzt war. Damals und in den 1990er Jahren habe die „politische Klasse“ Russland an den Westen „verkauft“.
Ulrich Heyden, Moskau, Veröffentlichung nur nach Rücksprache mit dem Autor