Historischer Rückblick: Die Tage nach dem Brand im Gewerkschaftshaus von Odessa.
Die NDS bringen einen weiteren kurzen Bericht von Ulrich Heyden, Moskau. Der Rückblick unterstützt die Einordnung auch des aktuellen Geschehens: Am 4. Mai stürmten mehrere Hundert Demonstranten das Untersuchungsgefängnis von Odessa, wo seit dem 2. Mai 67 Opfer des Brandes einsaßen. Die Polizei zog vor dem Gefängnis ab. Die Staatsanwaltschaft ließ die 67 prorussischen Gefangenen frei. Deutsche Medien waren entsetzt. Die Macht der Staatsstreich-Regierung in Kiew war im Süden der Ukraine noch alles andere als gefestigt.
Ja, Sie haben richtig gelesen, die Opfer der Brandattacke von ukrainischen Nationalisten auf das Gewerkschaftshaus am 2. Mai 2014 in Odessa wurden zum Ende des Brandes verhaftet. Die Täter, die den Brand legten, laufen dagegen bis heute frei herum.
Im Untersuchungsgefängnis wurden die Verhafteten von Beamten des ukrainischen Geheimdienstes SBU verhört. Drei Tage mussten die 67 verhafteten Männer und Frauen im Gefängnis auf nacktem Asphalt übernachten.
Am 4. Mai 2014 stürmten dann regierungskritische Demonstranten das Untersuchungsgefängnis von Odessa. Die Polizei leistete keinen Widerstand.
Auf beiligendem Video ist zu sehen, wie Polizisten ihre Schilder auf einen Haufen werfen und abziehen.
Die Staatsanwaltschaft von Odessa hatte während des Sturms der Demonstranten am 4. Mai 2014 die Freilassung der 67 Gefangenen angeordnet.
Die deutschen Medien waren außer sich. Sie sahen schon die Gefahr, dass es in Odessa nach dem Brand des Gewerkschaftshauses einen Aufstand gegen die Kiewer Staatsstreich-Regierung gibt und die Post-Maidan-Regierung in Kiew ins Wanken gerät.
Unter den aus dem Untersuchungsgefängnis von Odessa Befreiten waren auch Оleg Musyka und Igor Polovnev. Beide leben jetzt im deutschen beziehungsweise russischen Exil. Beide habe ich für meine Filme zum 2. Mai 2014 in Odessa interviewt.
Das hier beigefügte Youtube-Video eines oppositionellen ukrainischen Kanals ist zwar auf Russisch, aber jeder kann auf diesen Bildern sehen, dass die Wut eines Teils der Bevölkerung von Odessa wegen des Brandes im Gewerkschaftshaus sehr groß war. Die Befreiten wurden begeistert empfangen.
Viele Menschen in Odessa waren aber einfach nur schockiert über den Brand im Gewerkschaftshaus. Sie waren eingeschüchtert und beteiligten sich nicht an Protestaktionen auf der Straße.
Die Staatsstreich-Regierung in Kiew hatte es in den Tagen nach dem Brand im Gewerkschaftshaus nicht leicht, sich in Odessa durchzusetzen. Der Grund war, dass es in den Sicherheitsorganen der südukrainischen Hafenstadt viele gab, welche das gewaltsame und repressive Vorgehen gegen die Russland-freundliche Opposition der Stadt für einen Fehler hielten. Russophobie hat in der Stadt Odessa, die von der russischen Zarin Katharina der Großen gegründet wurde, bis heute einen schweren Stand.
Mein Artikel für die Schweizer “Wochenzeitung” vom 14. August 2014 bietet einen guten Überblick über die Ereignisse in Odessa im Sommer 2014. Verweisen möchte ich auch auf mein 2015 im Papyrossa-Verlag erschienenes Ukraine-Buch “Ein Krieg der Oligarchen”.
Ulrich Heyden, Moskau, 5. Mai 2020
veröffentlicht in: Nachdenkseiten