13. July 2010

Jesus als McDonalds-Symbol führt zu Geldstrafe

Zwei angesehene Kunstkuratoren aus Moskau sollen mit einer Ausstellung „zu religiösem Hass aufgewiegelt“ haben

ULRICH HEYDEN MOSKAU (SN). In einem umstrittenen Prozess um die Freiheit der Kunst hat ein Moskauer Gericht den international renommierten Experten Andrej Jerofejew zu einer Geldstrafe von 150.000 Rubel (3800 Euro) verurteilt. Mit der Ausstellung „Verbotene Kunst“ hätten Jerofejew und der Mitangeklagte Juri Samodurow (verurteilt zuu 200.000 Rubel) 2007 „zu religiösem Hass aufgewiegelt“, urteilte das Gericht am Montag nach Angaben der Agentur Interfax und der Deutschen Presseagentur. Jerofejew hatte in der Schau religiöse und politische Tabus in der russischen Kunstwelt zum Thema gemacht.

Das Gericht begutachtete neun Bilder: Unter anderem eine Kaviar-Ikone, eine Jesus-Darstellung auf der Werbung einer Fast-Food-Kette, sowie eine Micky-Maus-Figur auf Heiligenbildern. Laut Urteil verletzten die Werke die Gefühle russisch-orthodoxer Christen in gröbster Weise. Die Künstler waren nicht angeklagt. Mit dem Strafmaß blieb das Gericht deutlich hinter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte je drei Jahre Straflager beantragt.

300 Menschen hatten sich schon am Freitag vor dem Denkmal des russischen Schrifstellers Aleksandr Griborjedow versammelt, um ihre Solidarität mit Juri Samodurow, dem ehemaligen Direktor des Moskauer Sacharow-Zentrums, und dem Kunst-Kurator Andrej Jerofejew zu zeigen. Jerofejew und Samodurow hatten 2007 im Moskauer Sacharow-Zentrum die Ausstellung „Verbotene Kunst – 2006“ organisiert, in der moderne Kunst mit religiösen Symbolen gezeigt wurde. Auf einem Bild waren der Kopf von Jesus und das McDonalds Symbol zu sehen. Darunter stand der Slogan „Du bist mein Leib“.

Andrej Jerofejew ist einer der bekanntesten Kunstexperten Russlands, den Konservativen in der russisch-orthodoxen Kirche und im Geheimdienst aber ein Dorn im Auge. Der Bruder des Angeklagten ist der Schriftsteller Viktor Jerofejew („Moskauer Schönheit“), der ebenfalls schon häufig bei den Konservativen in Russland angeeckt ist. Weil Andrej Jerofejew sich dem patriotisch-konservativen Mainstream nicht unterordnen will, wurde er 2008 von seinen Posten als Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst in der Moskauer staatlichen Tretjakow-Galerie entlassen.

Der Gerichtsprozess gegen Jerofejew und Samodurow ist der Höhepunkt eines jahrelangen Ringens zwischen kritischen Künstlern und konservativen bis rechtsextremen Kreisen in der russisch-orthodoxen Kirche. 2003 stand der damalige Leiter des Sacharow-Zentrums, Juri Samodurow, schon einmal im Kreuzfeuer der konservativen Eiferer. Militante orthodoxe Christen hatten damals Bilder der Ausstellung „Achtung! Religion“ zerstört, die im Sacharow-Zentrum gezeigt wurden. Samodurow und die Kuratorin der Ausstellung Ludmila Wasilewskaja wurden 2005 wegen „Schürens von Hass“ zu einer Geldstrafe verurteilt.

Jerofejew hat jedoch die Hoffnung, dass die russisch-orthodoxe Kirche sich endlich gegenüber der zeitgenössischen Kunst öffnet. Ein Zeichen dafür sieht er in der Ausstellung „Doppelwort/Dialog“, die jetzt in der Kirche der Heiligen Tatjana im Stadtzentrum von Moskau gezeigt wird.

Der Fall ist auch so etwas wie ein Lackmustest für Präsident Medwedew, der immer wieder betont, man dürfe keine Zeit verlieren bei der Modernisierung von Russlands. Außer vereinzelten Treffen mit Oppositionellen folgten diesen Ankündigungen aber noch keine wirklich durchschlagenden Taten. Der bekannte Moskauer Galerist Marat Gelman hat bereits erklärt, er werde die Ausstellung „Verbotene Kunst – 2006“ noch einmal auf eigene Faust zeigen, wenn Samodurow und Jerofejew verurteilt werden.

"Salzburger Nachrichten"

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