31. July 2016

Lebensmittel in Russland ungenießbar?

Durch die westlichen Wirtschaftssanktionen hat sich die Qualität der russischen Lebensmittel nicht verschlechtert

Angesichts der Horrorgeschichten einiger deutscher Print-Medien über russische Lebensmittel hier ein paar Fakten und Thesen.

Die Qualität der russischen Lebensmittel hat absolut nichts mit den westlichen und russischen Sanktionen, Wirtschaftskrise und sinkenden Einkommen zu tun. Wer sich also heimlich freut, man habe den Russen oder Putin mit den Wirtschaftssanktionen eins ausgewischt, freut sich nur über seine eigene Einbildung.

Die Qualität der russischen Lebensmittel ist ein generelles Problem, was aus den 1990er Jahren stammt, als radikale Marktreformen durchgeführt wurden und die Lebensmittelkontrolle zusammenbrach.

Die Russen/innen haben sich daran „gewöhnt“, dass sie nicht immer gute Qualität erhalten und Gegenstrategien entwickelt. Von denen gibt es drei:

1. Genauer hingucken, wo man was kauft.

2. Auf der Datscha selbst Anbauen. Das ist angesichts der rapiden Preissteigerungen in den letzten zwei Jahren wieder wichtiger geworden.

3. Wenn man genug Geld hat, in teuren Geschäften einkaufen, wo die Ware durchweg guter Qualität ist.

Aber in Moskau gibt es auch für Leute mit geringerem Einkommen nicht so teure Märkte mit gutem Angebot bei Gemüse, Obst, Fleisch und Milchprodukten. Alles unverpackt. Viele Molkereien stellen kleine Milch-Tankwagen auf Freiluftmärkte, wo dann die frische und exzellente Milch abgezapft wird.

In den russischen Supermärkten gibt es bei Milch, Bier und Brot ziemliche Qualitätsunterschiede. Da wird nicht selten mit Milchpulver und Wasser verlängert.

Empfehlen kann ich die neue Laden-Kette Isbjonka. Erstklassige Qualität und preisgünstig. Dort wird Schwarzbrot (in guter Qualität in Moskau nicht einfach zu finden) aus Klosterbäckereien verkauft. Ich hoffe sehr, dass diese Ladenkette die Qualität hält und nicht – wie viele andere neue Firmen - nachlässt.

Bei Wein und Wodka muss man sich auskennen, denn da wird auch viel gepanscht.

Fast alle Russen/innen sagen übrigens, dass die staatliche Lebensmittelaufsicht zu Sowjetzeiten sehr gut war. Wegen dieser Kontrolle hätte man die Sowjetunion also nicht auflösen müssen.

Ja, die Menschen hier - auch ich - müssen seit den russischen Lebensmittelsanktionen auf französischen Käse und andere westliche Delikatessen verzichten. Aber der Großteil der Menschen konnte sich diese Edel-Ware noch nie leisten, fühlt sich also nicht eingeschränkt. Außerdem findet man gelegentlich Schweizer Käse in den Theken der Supermärkte. Die Schweiz ist nämlich nicht von den russischen Sanktionen betroffen.

Veröffentlicht in "der Freitag"-Community

Teilen in sozialen Netzwerken
Im Brennpunkt
Bücher
Foto