Medwedew und der Terror
Russlands Präsident in schwierigster Phase seiner Amtszeit
Von Ulrich Heyden
Der gestrige Tag war selbst für die krisengestählten Russen ein Schock. Nach den beiden Terror-Anschlägen war Moskau für einen Tag wie gelähmt und voller Angst. Erst die Finanzkrise und jetzt auch noch Terror direkt vor der Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Das verstärkt das Gefühl der Unsicherheit. Der russische Geheimdienst, der angeblich alles weiß und so mächtig ist, hat kläglich versagt.
Warum, fragt man sich? Sind die islamistischen Terroristen aus dem Nordkaukasus, die sich dort nach dem Tschetschenien-Krieg ein festes Netzwerk aufgebaut haben, logistisch schon so stark? Können sie nicht mehr nur im Kaukasus, sondern auch wieder in der Moskauer Metro, wie zuletzt 2004, zuschlagen? Eine beunruhigende Vorstellung.
Terrorakte passen nicht zu dem Russland, welches Präsident Dmitri Medwedew vorschwebt. Ein Russland, das eine moderne Entwicklung einschlägt, die Korruption bekämpft, die Grundlagenforschung neu startet, die Wirtschaft insgesamt erneuert.
Medwedew muss sich jetzt mit Kräften auseinander setzen, die den angekündigte Modernisierungskurs als Gefahr für die eigene Existenz sehen. Das ist zum einen der islamistische Untergrund im Kaukasus, und das sind zum anderen Neonazis und Ultranationalisten, die von der weißen Rasse träumen und dem Staat mit Anschlägen auf Polizeistationen und Eisenbahngleisen den Kampf angesagt haben. Diese Kräfte, hervorgegangen aus der russischen Skinhead-Szene, bomben im Namen einer „nationalen Revolution“.
Der islamistische Untergrund im Kaukasus setzt ebenfalls auf eine Strategie von Angst und Schrecken. Man treibt von Geschäftsleuten Schutzgeld ein, verübt Anschläge auf „unislamische“ Einrichtungen wie Sauna-Bäder und Selbstmordattentate auf Kasernen. Diesen Kräften passt es nicht ins Konzept, dass Medwedew jetzt mit Aleksandr Chloponin einen erfahrenen Unternehmer und Gouverneur aus Sibirien als Verwalter der nordkaukasischen Krisen-Region eingesetzt hat und damit deutlich machte: Die Region wird nur zur Ruhe kommen, wenn es dort auch wirtschaftlich bergauf geht.
Medwedew, dessen Amtszeit im kommenden Jahr endet, hat Russland mehr Demokratie versprochen. Und die politische Debatte belebt sich, auch und vor allem im Internet. In der russischen Provinz werden Bürger- und Sozialinitiativen mit Aktionen und Meinungsäußerungen immer selbstbewusster. Für Medwedew kommt jetzt die bisher schwierigste Phase seiner Amtszeit. Er muss beweisen, dass er Terroristen bekämpfen und gleichzeitig mit der Demokratisierung beginnen kann.
"Saarbrücker Zeitung"