Der Berliner Journalist und ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift "Europa Express" Saadi Isakow bekam im April 2016 auf dem Flughafen von Odessa ein fünfjähriges Einreiseverbot. Isakow hatte weder Donezk noch die Krim besucht. Er hatte allerdings kritische Artikel über den Machtwechsel in der Ukraine und das Massaker in Odessa geschrieben. Das deutsche Außenministerium weigerte sich trotz mehrmaliger Bitte von Isakow, sich für ihn einzusetzen. Die einzige "Hilfe" bestand darin, dass das deutsche Außenamt dem Journalisten eine Liste mit Kiewer Rechtsanwälten schickte, an die er sich ja wenden könne.
Durch die Solidarität von Journalisten-Verbänden konnte die Aufhebung des gegen die spanischen Journalisten Antonio Pampliega und Angel Sastre am 24. August 2017 auf dem Kiewer Flughafen Borispol verhängte dreijährige Einreiseverbot erreicht werden. Der ukrainische Geheimdienst erklärte, die beiden Journalisten würden "falsche Geschichten" schreiben und behaupten, "die ukrainische Armee schieße auf friedliche ukrainische Städte und Dörfer". Die beiden Journalisten sind in Spanien bekannt, weil sie sich ein Jahr lang in der Gefangenschaft der Terroristen von der Al-Nusra-Front befanden.
Am 1. Mai 2018 bekamen auf den Flughäfen von Odessa und Kiew-Borispol gleich zwei Journalisten eine fünfjährige Einreisesperre: der mit internationalen Preisen ausgezeichnete italienische Fotojournalist Giorgio Bianchi, der im Donbass Fotoreportagen gemacht hatte, und der tschechische Journalist Jan Richetski, der kritisch aus Lugansk, Odessa und Transkarpatien berichtet hatte. Richetski schrieb mir: "Es ist lustig, dass die Ukraine Mitglied der EU werden will. Ukrainer brauchen heute kein Visum für die EU, aber ich kann nicht in die Ukraine. So fühle ich mich wie ein Bürger der EU zweiter Klasse. Und warum? Weil ich meine Arbeite mache."
Deutschland steht abseits
Das wichtigste Massenmedium - der Film - ist in Deutschland besonders von der stillschweigenden Informationsblockade über die Ukraine betroffen. Kritische Filme über das Massaker von Odessa und die 100 Toten, die von Scharfschützen auf dem Maidan erschossen wurden, werden weder im deutschen Fernsehen noch in deutschen Kinos gezeigt.
Dabei gibt es Werke von namhaften Regisseuren. In den USA gibt es den Film von Oliver Stone "Ukraine on Fire", der zumindest einen Platz im deutschen Fernseh-Nachtprogramm verdient hätte.
In Italien zeigte Canale 5 den Film "Guerra in Ucraina", in dem mutmaßliche Scharfschützen aus Georgien über ihren Einsatz auf dem Maidan berichten.
In Frankreich zeigte der Canale+ den Film "Les masques de la révolution". Thema des Films ist die Rolle von Nazis und Ultranationalisten auf dem Maidan und beim Brand im Gewerkschaftshaus von Odessa.
Nur in Deutschland, das sich nach dem Wahlsieg von Donald Trump, zum Fackelträger von Demokratie und Freiheit weltweit erklärte, wollen die Fernsehsender partout keine Filme zum Scharfschützen-Einsatz auf dem Maidan und zum Massaker in Odessa zeigen.
Die Rolle der alternativen Medien
Der Film "Lauffeuer" , den ich 2015 zusammen mit dem Berliner Video-Kollektiv "Leftvision" machte, wurde von den großen deutschen Medien zwar totgeschwiegen. Der Film wurde aber auf vielen kleinen Veranstaltungen in Deutschland, Russland und anderen Staaten Europas gezeigt. Im Internet hatte der mit Spenden finanzierte Film, den wir in vier Sprachen übersetzten, sehr gute Zugriffszahlen.
Je stärker die Regierung in Kiew die kritischen Medien im eigenen Land unterdrückt, desto stärker muss die kritische Öffentlichkeit in Europa alternative Informationsportale, kritische Filmprojekte sowie Journalisten und Andersdenkende in der Ukraine unterstützen.
(Überarbeiteter Redebeitrag von Ulrich Heyden auf der Konferenz "Medienfreiheit und Menschenrechte in der Ukraine", die am 11. Juni 2018 im Bundestag von der Fraktion "Die Linke" veranstaltet wurde.)
Die Rede im Bundestag gibt es hier als Video ab Minute 20:18
veröffentlicht von: Telepolis