21. December 2012

Mit gezügelter Zunge

Bei seiner achten Jahrespressekonferenz versuchte sich Putin in seiner neuen Rolle als weiser Landesvater

Nein, Rückenprobleme waren dem russischen Staatschef nicht anzumerken, als er seine erste Jahrespressekonferenz nach der Wiederwahl im März abhielt. Nur mit der Erinnerung klappt es nicht immer. An manche Fakten erinnert sich Wladimir Putin ganz exakt – etwa dass 400 000 Moskauer einen Sonderausweis bekommen müssten, wenn man 2014 im Vorort Skolkowo die G 8-Konferenz durchführen würde. Ein anderer Konferenzort in Russland wäre wohl besser geeignet.

Bei anderen viel aktuelleren Themen blieb das Detail-Wissen des Kreml-Chefs dagegen schemenhaft. Oder tat der Präsident nur so? Gefragt nach inhaftierten Kreml-Gegnern, nahm Putin deren Namen gar nicht erst in den Mund, so als handele es sich um etwas Unanständiges. Auch an die Details der Fälle erinnert sich Putin nicht, was schwer vorstellbar ist. Immerhin war der Links-Aktivist Leonid Raswosschajew unter Beihilfe russischer Sicherheitskräfte aus Kiew nach Moskau entführt worden. Doch dass der georgische Politiker Givi Targamadse versucht, die russische Protestbewegung zu steuern und zu ungesetzlichen Taten, sogar Terrorakten anzustacheln, das ist nach Meinung des Kreml-Chef bewiesen.

Putin gab sich ganz als Landesvater, als er erklärte, man werde natürlich nicht allein für die Teilnahme an einer Demonstration – „selbst wenn sie unter Verletzung der Gesetze durchgeführt wurde“ – im Gefängnis landen.

Putin saß viereinhalb Stunden ganz allein an einem Tisch, rechts von sich mit ein paar Meter Abstand sein Pressesprecher und vor sich über 1000 Journalisten, etwa 150 davon aus dem Ausland. Die Veranstaltung fand diesmal im Internationalen Moskauer Wirtschaftszentrum statt. Es war die achte große Jahrespressekonferenz, die Putin durchführte und er hatte ein leichtes Spiel. Die meisten Fragen konnte er leicht beantworten. Nur ein Handvoll russische Journalisten und ein paar Ausländer stellten dem Präsidenten unangenehme Fragen.

Im Unterschied zu früheren Jahrespressekonferenzen vermied Putin bissige Ausfälle gegen Fragesteller, die ihm nicht gefielen. Alle Versuche von Journalisten, über die große Zahl von Waisen in Russland zu sprechen, blockte Putin ab. Nein, die USA seien kein Land wohin man russische Kinder sorglos schicken könne, wiederholt der Präsident immer wieder. Anders sei es in Deutschland. Von seinem Freund Gerhard Schröder, der ein russisches Kind adoptiert hat, wisse er, dass dort regelmäßig ein Vertreter der russischen Botschaft nach dem Rechten schaut.

Zu den Gerüchten, er habe gesundheitliche Probleme, entgegnete Putin, das seien Versuche, „die Legitimität und Effizienz der Regierung in Frage zu stellen“.

Bis zum Schluss blieb Putin locker. Ein Journalist der Kreml-nahen Internetzeitung Lifenews konnte den Kreml-Chef sogar mit Putin-Anekdoten konfrontieren, ohne dass dieser aus der Haut fuhr. „Putin verspricht viel, weil er genau weiß, wann der Weltuntergang kommt“, begann der Journalist, worauf Putin lächelnd konterte, der Weltuntergang komme erst in „etwa viereinhalb Milliarden Jahren“, wenn der Lebenszyklus der Sonne zu Ende geht.

veröffentlicht in: Südkurier

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