Moskau: Rechtsextreme jagen Kaukasier
Nach dem Mord an einem jungen Russen in Moskau demonstrieren 4000 Menschen für die Ausweisung aller Kaukasier
Nach dem Mord an dem 25-jährigen Russen Jegor Scherbakow, der von einem Kaukasier mit einem Messer getötet worden sein soll, glichen die Straßen im Moskauer Stadtteil Birjulowo in der Nacht auf Montag einem Schlachtfeld. Bei den Unruhen kam es zu Plünderungen in einem Einkaufszentrum. Autos wurden umgeworfen, und über die ganze Straße verteilt lagen Stücke von Wassermelonen.
Mit den Melonen handeln in Moskau Kaukasier. Auf die hatten es 4000 aufgebrachte Menschen, die sich auf den Straßen versammelt hatten, abgesehen. Die Menschen, darunter viele extra angereiste Nationalisten und Rechtsradikale, forderten in Sprechchören die Ausweisung aller Kaukasier. Die Protestierenden waren dabei, einen Gemüse-Großmarkt zu stürmen. Die Polizei verhaftete 400 Personen. Die Demonstranten versuchten, den Abtransport der Verhafteten zu verhindern, was jedoch nicht gelang. Die gesamte Moskauer Polizei war in Alarmbereitschaft versetzt worden. 23 Menschen wurden verletzt, darunter acht Polizisten.
Was war der Anlass für die Unruhen? In der Nacht auf Donnerstag hatte der 25-jährige Jegor Scherbakow seine Freundin Ksenia nach Hause begleitet. Auf dem Weg kam es zu einem Konflikt mit einem Unbekannten, angeblich einem Kaukasier. Der Unbekannte stach mit einem Messer zu und tötete Jegor, der sofort starb. Es muss ein schwerer Schock für die Freundin gewesen sein. Trotzdem fand Ksenia am Montagmorgen die Kraft, in einem Telefongespräch mit einem russischen Fernsehkanal zur Besonnenheit aufzurufen. Nicht alle Zugereisten seien schlechte Menschen, erklärte das Mädchen. Sie sagte auch: „Ich will keinen Hass gegen andere Nationalitäten schüren.“
Die Unruhen in Birjulowo haben die Moskauer wieder in Angst versetzt. Straßenunruhen, die aus Alltagskonflikten zwischen Russen und Kaukasiern entstehen, kommen in Russland immer häufiger vor. Die größten Unruhen gab es 2006 in der nordrussischen Stadt Kondopoga, als zwei Russen bei einem Streit in einem Café starben. Ein zweiter großer Konflikt ereignete sich 2010 auf dem Moskauer Manege-Platz. Nachdem ein junger Fußball-Fan während eines Streits von einem Dagestaner mit einer Gas-Pistole getötet worden war, machten Fußball-Fans und Rechtsradikale auf dem Manege-Platz Jagd auf Kaukasier. Diese Orte stehen bei russischen Nationalisten und rechts eingestellten russischen Fußball-Fans für „russische Gegenwehr“ gegen Migranten und Kaukasier.
Die Bevölkerung müsse sich selbst zur Wehr setzen, weil die Polizei illegale Migranten und Händler gegen Schmiergeld deckt, meinen die rechtsradikalen Einpeitscher, die versuchen, Alltags-Konflikte in ihre nationalistische Richtung zu lenken. Niemand kennt den Namen des Mannes, der Scherbakow niedergestochen hat. Bisher gibt es nur eine Video-Aufnahme. Darauf ist ein Mann zu sehen, der Kaukasier sein könnte. Die Situation um die Frage der Migration ist so angespannt, dass ein Foto ohne Namen reicht, damit mehrere Tausend Menschen sich mit der Polizei eine Straßenschlacht liefern.
veröffentlicht in: Südkurier