Moskau wälzt Verschwörungstheorien
Hinter den Demonstrationen in Kiew vermutet man in Moskau amerikanische und polnische Drahtzieher.
MOSKAU. Für den Kreml-nahen Moskauer Politikwissenschaftler Sergej Markow ist die Sache klar: Polen wolle sich als Schutzpatron der Ukraine aufspielen. Damit versuche Warschau nur, das eigene Gewicht in Europa zu erhöhen, erklärte Markow dem russischen Publikum. Doch vor einem derartigen Patronat rät er den Ukrainern dringend ab. Sie sollten sich erinnern, dass sie jahrhundertelang von den Polen unterdrückt worden seien. Dass die russischen Zaren den Ukrainern ihre Sprache verboten und Stalin sie aushungerte, erwähnt der Moskauer Experte natürlich nicht.
Markow sprach auch von einer polnisch-ukrainischen Verschwörung, deren Drahtzieher der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski und dessen Söhnen seien. Der eine Brzezinski- Sohn war Präsident der ukrainisch-amerikanischen Handelskammer, der andere Berater der Republikanischen Partei. Zu den anti-russischen "Intriganten" gehöre außerdem der Pole Adrian Karatnizki, Leiter der US-Stiftung "Freedom House". Karatnizki habe "Spindoktoren" aus Belgrad für den Einsatz im ukrainischen Wahlkampf angeheuert. Die hätten das Drehbuch für das "Juschtschenko-Projekt" geschrieben. Die These von der polnisch-amerikanisch Verschwörung hat nur einen Haken. Sie erklärt nicht, warum sich Hunderttausende Ukrainer bei Frost-Temperaturen tagelang die Beine in den Bauch stehen und die Seele aus dem Leib schreien. Machen sie das alles nur, weil sie dafür bezahlt werden? Diesen Eindruck vermitteln Berichte des russischen Fernsehkanals NTW. Ein Reporter berichtete aus Kiew, den Pro-Juschtschenko-Demonstranten würden Tagesgelder ausgezahlt: 50 Grivna pro Kopf, das sind rund acht Euro. Die perfekte Organisation auf dem "Platz der Unabhängigkeit" erstaunt tatsächlich und wirft die Frage auf, wie das alles finanziert wird. Die Kreml-nahe Internet-Site strana.ru hat die Antwort parat. Oppositionschef Viktor Juschtschenko werde nicht nur von führenden Unternehmen der ukrainischen Genussmittelbranche unterstützt, sondern bekomme auch Geld aus Washington, angeblich 13 Millionen Dollar. Noch einmal "etwa acht Millionen Dollar" habe der US-Mäzen George Soros der Opposition versprochen. Sollten diese Zahlen stimmen, bräuchten sich die russischen Unternehmer nicht zu genieren. Nach einem Bericht der Kreml-kritischen Moskauer Zeitung "Novaja Gaseta" ließen private und staatliche russische Unternehmen 200 Millionen Dollar für Juschtschenkos Gegenspieler, Viktor Janukowitsch, springen.