Pokerspiel um militärische Stützpunkte
Kirgistan. Die neue Regierung nützt strategische Lage, um Finanzhilfen von Amerikanern und Russen zu bekommen.
ULRICH HEYDEN BISCHKEK (SN). Nachdem der gestürzte Präsident Kirgistans, Kurmanbek Bakijew, das Land am Donnerstag mit einem Flugzeug Richtung Kasachstan verlassen hat, muss sich die provisorische Regierung den drängenden sozialen und außenpolitischen Fragen zuwenden. Eine Schlüsselfrage ist, wie Bischkek mit dem amerikanischen Stützpunkt Manas verfahren will, über den die USA seit 2001 einen Großteil ihres Soldaten- und Güternachschubs nach Afghanistan abwickelt.
Russland, das seit 2003 selbst den Luftwaffenstützpunkt „Kant“ in Kirgistan unterhält, drängt die neue Regierung in Bischkek, den amerikanischen Stützpunkt Manas endlich zu schließen. Moskau konnte mit Unterstützung von Peking bereits 2005 die Schließung des US-Luftwaffenstützpunkts in Usbekistan durchsetzen. Russland sieht Zentralasien nach wie vor als seine Einflusssphäre. Doch ob Moskau nach dem Umsturz seinen Einfluss in Kirgistan ausbauen kann, ist unsicher. Vielmehr verstärkt sich der Eindruck, dass die neue Regierung, wie schon unter Bakijew, die Schaukelpolitik zwischen Moskau, Washington und Peking fortsetzen will.
Der russische Premier Wladimir Putin hat der neuen Regierung in Bischkek mittlerweile konkret Finanzhilfen von 50 Mill. Dollar zugesichert und weitere Hilfen in Aussicht gestellt.
Zum Stützpunkt kamen aus Bischkek zuletzt widersprüchliche Signale. Vor der Ankunft von Robert Blake, dem Eurasien-Experten der US-Regierung, hatte die Chefin der Übergangsregierung, Rosa Otunbajewa, in einem Interview erklärt, das Abkommen mit den USA über die Nutzung von Manas werde verlängert. Wenige Tage zuvor hatte der stellvertretende Ministerpräsident Omurbek Tekebajew noch einen außenpolitischen Kurswechsel angekündigt und erklärt, man werde „prüfen“, ob der Vertrag für den Stützpunkt Manas verlängert wird.
In Kirgistans Bevölkerung gibt es eine starke Stimmung gegen den Stützpunkt Manas. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Menschen im Land nichts von Amerikas Pachtgebühren hatten, weil die Gelder aus den USA in die Taschen der herrschenden Bakijew-Familie flossen.
Moskau hatte 2009 mit Hilfs- und Kreditzusagen von mehr als zwei Mrd. Dollar versucht, die Regierung von Kirgistan zur Schließung des US-Stützpunkts Manas zu bewegen. Präsident Bakijew hatte dem Drängen nachgegeben und den Vertrag mit den Amerikanern gekündigt, dann aber einen Rückzieher gemacht. Der Grund war offenbar, dass die USA die Pachtgebühr für Manas von 17 Mill. auf 60 Mill. Dollar erhöhten und 117 Mill. Dollar für Infrastrukturmaßnahmen und andere Hilfen zusagten. Russland setzte verärgert Kreditzahlungen an Bischkek aus.
Der Stützpunkt Manas liegt 20 km nördlich der kirgisischen Hauptstadt Bischkek und ist für die Amerikaner seit 2001 ein Knotenpunkt für den Nachschub nach Afghanistan. Um sich nicht von dem Stützpunkt in Kirgistan abhängig machen zu müssen, sucht Washington offenbar nach Ausweichmöglichkeiten. Die „Nesawissimaja Gaseta“ berichtete in Moskau, Präsident Barack Obama habe mit seinem kasachischen Kollegen Nasarbajew Mitte dieser Woche in Washington über eine neue Route des Afghanistan-Nachschubs verhandelt.
Der kremlnahe russische Militärexperte Leonid Iwaschow vermutet, dass die USA in Kasachstan die Errichtung einer neuen Militärbasis planen. Dies widerspreche den Interessen Russlands und Chinas, erklärte Iwaschow.
"Salzburger Nachrichten"