Proteste unter russischer Flagge
Auf der Krim gibt es Widerstand gegen den Versuch der ukrainischen Regierung, das Russische zurückzudrängen
Im ostukrainischen Charkow sowie den beiden großen Städten auf der Krim, Simferopol und Sewastopol, kam es nach dem Umsturz in Kiew zu Demonstrationen unter russischen Fahnen mit mehreren Tausend Teilnehmern. In Sewastopol, dem Standort der russischen Schwarzmeer-Flotte, beteiligten sich 20 000 Menschen an einer Kundgebung, auf welcher der örtliche Unternehmer Aleksej Tschalyj zum Bürgermeister gewählt wurde. Tschalyj hat die russische Staatsbürgerschaft. Seine Verhaftung wegen Separatismus durch aus Kiew angereiste Mitarbeiter des Geheimdienstes SBU wurde am Montag von Demonstranten verhindert.
Die Russen in der Ukraine – immerhin acht Millionen von insgesamt 46 Millionen Einwohnern des Landes – fürchten die während der letzten Wochen erstarkten nationalistischen Organisationen wie Swoboda, Rechter Sektor, Dreizack, Patrioten der Ukraine und UNA/UNSO. Im Westen und im Zentrum der Ukraine werden unter deren Anleitung nicht nur Lenin-Denkmäler gestürzt. Besonders drastisch geht es im Gebiet Lviv zu. Hier bekam die Partei Swoboda bei den Parlamentswahlen 2012 38 Prozent der Stimmen. Am Montag wurde in der Stadt Brody die Büste des russischen General Michail Kutusow abgebaut. Der berühmte General kämpfte 1812 gegen die Truppen Napoleons.
Am Sonntag wurde in der Stadt Strye (ebenfalls im Gebiet Lviv) mit einem Kran das Denkmal eines sowjetischen Soldaten abgebaut, der, als Zeichen der Befreiung vom Faschismus, ein Kind in die Höhe hält. Am Montag mussten Polizisten der Spezialeinheit Berkut auf einer Kundgebung in Lviv auf den Knien und mit gesenkten Köpfen vor Tausenden Zuschauern Abbitte leisten. Geistliche in langen Kutten begleiteten die Zeremonie. Die Veranstaltung erinnerte an das Mittelalter, als auf den Plätzen im Schnellverfahren über das Böse gerichtet wurde.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, man werde sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einmischen, doch Vertreter des russischen Föderationsrates wollen nun die Krim besuchen, wo der Anteil der russischen Bevölkerung mit 75 Prozent besonders hoch ist. Einzelne russische Politiker – wie Sergej Mironow von Gerechtes Russland – fordern, man müsse den Russen in der Ukraine im Schnellverfahren russische Pässe ausstellen. Mironow schlug vor, den Mitgliedern der vom neuen ukrainischen Innenminister aufgelösten Polizei-Spezialeinheit Berkut die Eingliederung in den russischen Polizeidienst zu ermöglichen.
veröffentlicht in: Südkurier