22. August 2007

Putins hochfliegende Pläne

Fast kein Tag vergeht ohne russische Muskelspiele. Man fühlt sich an die Zeit des Kalten Krieges erinnert. Statt mit Diplomatie zu glänzen schickt Moskau neuerdings Langstreckenbomber in die Luft.

Vor wenigen Tagen gab Russlands Präsident Wladimir Putin im Beisein des chinesischen Staatschefs bekannt, man werde die Patrouillenflüge der russischen Langstreckenbomber wieder aufnehmen. 20 mit Lenkwaffen bestückte Flugzeuge starteten sogleich von sieben verschieden Flugplätzen für Flüge über den Weltmeeren. Sie sollen die Schifffahrts- und Ölrouten sichern, heißt es in russischen Zeitungen.

Die Ankündigung passt in eine Reihe militärischer Ausrufungszeichen, die Moskau in den vergangenen Wochen setzte: Bereits Mitte Juli - London hatte gerade vier russische Diplomaten wegen der Litwinenko-Affäre ausgewiesen - tauchten strategische Bomber vor der schottischen Küste auf. Britische Jäger mussten aufsteigen. Anfang August sorgte eine russische Nordpol-Expedition für Schlagzeilen, mit der Russland seinen Anspruch auf die Polregion unterstrich. Am 6. August gab es dann einen Zwischenfall in Georgien. Russische Flugzeuge seien in den Luftraum des Landes eingedrungen und hätten eine Rakete abgefeuert, die aber nicht explodiert sei, erklärte Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili. In der zweiten Augustwoche besichtigte Putin eine in der Rekordzeit von 18 Monaten errichteten Radaranlage bei St. Petersburg, von der aus der Luftraum zwischen Nordpol und Südafrika überwacht werden kann. Am Sonntag wurde bekannt, dass Russland den einzigen betriebsbereiten Flugzeugträger Kusnezow wieder in Dienst gestellt hat.
Russische Admiräle sagten, man werde wieder Präsenz im Mittelmeer zeigen. In den letzten 15 Jahren hatte man für derartige Macht-Demonstrationen kein Geld gehabt. Das ist nun anders. Die Staatskasse ist mit Petro-Dollars prall gefüllt. Russland hatte die Flüge der strategischen Luftwaffe 1992 eingestellt. Leider seien "unserem Beispiel, nicht alle Länder gefolgt", erklärte der Kreml-Chef in Anspielung auf die USA. Die Flugpause habe "die russische Sicherheit beeinträchtigt", erklärte Putin. Die russischen Piloten bräuchten dringend praktische Übung. Wie General Pawel Androsow erklärte, ist die strategische Luftwaffe bereits seit einiger Zeit über den Weltmeeren und der Arktis im Einsatz.
Um die Wirkung seiner Worte zu erhöhen, gab der Kremlchef seine Erklärung im Beisein des chinesischen Staatschefs Hu Jintao ab, am Rande einer Militärübung der unter Führung von Moskau und Peking stehenden Regionalorganisation "Shanghai Gruppe" (SCO). Bei dem Manöver, an dem 6000 Soldaten Russlands und Chinas beteiligt waren, wurde die Befreiung einer Stadt von Terroristen geübt. Vermutlich ging es aber nur um eine Demonstration von Stärke gegenüber den USA. Für US-Truppen und Basen ist nach Meinung von Moskau und Peking in Zentralasien kein Platz. Die Sicherheit in der Region werde "am besten von den Staaten der Region gewährleistet", heißt es in einer Resolution der SCO.
Anders als beim russischen Husarenritt an den Nordpol reagierte Washington diesmal gelassen auf die Putin-Erklärung. Offenbar möchten die USA das neue russische Selbstbewusstsein nicht unnötig füttern. Die Wiederaufnahme der Flüge sei wohl "kein Grund zur Beunruhigung unserer Militärs", erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses. Russland habe ein paar alte Maschinen "aus dem Mottenschrank" geholt, spottete der Sprecher des US-Außenministeriums Sean McCormack. "Das ist ihre Entscheidung." Die Reaktion der USA sei "überraschend ruhig", stellte auch die liberale Moskauer Zeitung "Kommersant" fest. Dies sei vermutlich so, weil die Flüge weder internationale Vereinbarungen noch das strategische Gleichgewicht verletzten.
Die Zeitung "Nesawisimaja Gaseta" wollte den Vorwurf mit dem Mottenschrank nicht unkommentiert lassen. Die Tupolew 95 sei 1979 in Dienst gestellt worden, die B 52, das Rückgrat der strategischen Luftwaffe der USA, aber bereits 1948. Die strategische Luftwaffe, so schreibt das Blatt, gewinne immer mehr an Bedeutung. Das hätte sich 2003 im Irak und 1999 in Jugoslawien gezeigt. Die Luftwaffe der USA habe damals nicht nur Infrastruktur zerstört, sondern auch "moralisch Druck ausgeübt."
Der russische Sicherheitsexperte Aleksandr Pakajow vom Institut für Weltwirtschaft erklärte, die Wiederaufnahme der Langstreckenflüge sei "eine Antwort auf die Stationierung von Nato-Truppen dichter an den Grenzen Russlands." Die Nato hat im vergangenen Jahrzehnt die baltischen Staaten, Tschechien, Ungarn und Polen aufgenommen. Zudem planen die USA einen Raketenabwehrschild in Polen und Tschechien zu stationieren. Putin hatte bereits angekündigt, die Raketenabwehr bis 2015 zu modernisieren. Beobachter in Moskau vermuten hinter dem russischen Muskelspiel auch die Absicht Putins, sich vor den Präsidentschafts-Wahlen, zu denen er eigentlich nicht mehr antreten will, als unerbittlicher Verteidiger russischer Interessen zu profilieren.

Südkurier

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