9. September 2005
Revolutions-Ikone gegen „Schokokönig“
Einträchtig zusammen standen Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko im Herbst in Kiew
Freitag, 9. September 2005
URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=947200
Revolutions-Ikone gegen „Schokokönig“
Einträchtig zusammen standen Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko im Herbst in Kiew.Foto: dpa
Ukraine. Staatspräsident Viktor Juschtschenko hat den Machtkampf in seiner Regierung beendet.
Schließlich wurde es Viktor Juschtschenko zu viel. Der ukrainische Präsident, dessen Gesicht immer noch von dem mysteriösen Giftanschlag gezeichnet ist, entließ die von der Revolutions-Ikone Julia Timoschenko geführte Regierung. „Meine Freunde hatten große Vollmachten, aber sie haben das in sie gesetzte Vertrauen nicht erfüllt“, erklärte der Präsident seinen radikalen Schritt. Innerhalb seiner Mannschaft sei das Vertrauen „auf null“ gesunken, erklärte Juschtschenko.
Zerbrochenes Bündnis
Mit der Entlassung der Regierung ist das Bündnis zwischen den beiden populärsten Führern der „orangenen Revolution“, die Ende letzten Jahres Staatschef Kutschma zum Rücktritt zwangen, zerbrochen. Juschtschenko berief Juri Jechanurow zum neuen Ministerpräsidenten. In Juschtschenkos Mannschaft hatten sich erste Risse gezeigt. Mit der Entlassung der Regierung will er das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen.
Das Personalkarussell von Rücktritten und Entlassungen war von Timoschenko nahe stehenden Politikern eröffnet worden. Am Sonnabend war der Leiter der Präsidialverwaltung, Aleksander Sintschenko, zurückgetreten. Dieser begründete seinen Rücktritt mit der „Korruption im Umkreis des Präsidenten“. Namentlich nannte Sintschenko den Vorsitzenden des ukrainischen Sicherheitsrates, Petro Poroschenko, der wegen seiner unternehmerischen Aktivitäten im Konditoreigewerbe auch „Schokoladenkönig“ genannt wird. Gestern trat Poroschenko zurück, um, wie er sagte, die Ermittlungen gegen ihn nicht zu behindern. Unmittelbar nach dem Rücktritt des „Schokoladenkönigs“ entzog das ukrainische Parlament Poroschenko die Immunität.
Zwischen der Revolutions-Ikone Timoschenko und dem „Schokoladenkönig“ gab es schon unmittelbar nach dem Sieg der „orangenen Revolution“ Streit um den Posten des Ministerpräsidenten. Dazu kamen später wirtschaftliche Interessen. Gestritten wurde insbesondere um die ehemaligen Staatsbetriebe, die sich in den 90er Jahren Oligarchen aus dem Umfeld des früheren Staatschefs Kutschma angeeignet hatten. Poroschenko beschuldigte die Ministerpräsidentin der Korruption in Zusammenhang mit der Privatisierung eines Stahlwerks.
Der gestern ebenfalls zurückgetretene Vizepremier Nikolai Tomenko kündigte eine „zweite Etappe“ der orangenen Revolution an. Diese Revolution werde „für die Ukraine“ sein und „nicht für die Oligarchen“. Dem zurückgetretenen Chef des Sicherheitsrates, Poroschenko, und Parlamentschef Wladimir Litwin warf Tomenko vor, sie würden Informationen über die Ermittlungen im Fall Gongadse geheim halten. Der Journalist, der für die oppositionelle Internetzeitung „Ukrainskaja Prawda“ gearbeitet hatte, war im Herbst 2000 geköpft bei Kiew gefunden worden.
Im Brennpunkt