Russland diskutiert erstmals Stalins Verbrechen an den Polen
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Wenige Tage vor der Gedenkfeier in Katyn wurde in Russland das erste Mal der gleichnamige Film von Andrzej Wajda gezeigt.
Nur wenige Tage vor der Gedenkfeier in Katyn, wo Donald Tusk und Wladimir Putin gemeinsam einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte beider Länder gedachten, stellte der russische Fernsehkanal Kultura sein Programm um. Am vergangenen Freitag wurde um 19:15, also zur besten Sendezeit, überraschend der bisher in Russland faktisch verbotene Film des polnischen Regisseurs Andrzej Wajda „Katyn“ gezeigt.
Anschließend gab es eine Experten-Diskussion von Historikern und Kulturschaffenden, bei der die russische Alleinschuld an der Erschießung Tausender polnischer Offiziere im Frühjahr 1940 ausdrücklich eingestanden wurde.
Der russische Regisseur Sergej Michalkow erklärte in der Expertendiskussion, Wajdas Werk sei „kränkend“, aber „es ist bewiesen, dass wir es getan haben.“ Besonders schändlich sei, dass „die Polen als Slawen von den Russen verraten wurden.“ Der Film Katyn sei nicht antirussisch, wie oft behauptet werde. Es sei ein Film, der „mit einem starken Gefühl für Ungerechtigkeit“ gemacht wurde.
Der Fernsehkanal Kultura erreichte zwar nur vier Prozent des Fernsehpublikums und doch war die Ausstrahlung von „Katyn“ für Russland ein Politikum, insbesondere, weil es in Teilen der russischen Elite und der Bevölkerung eine regelrechte Stalin-Renaissance gibt. Die Nesawisimaja Gaseta kommentierte, mit dem Zeigen des Films distanziere sich „die herrschende Elite öffentlich von den Verbrechen des Stalin-Regimes“. Dass es diese „Elite“ mit ihrer Absicht, sich mit Polen zu versöhnen ernst meint, zeigt auch die Einladung polnischer Kriegsveteranen zur Teilnahme an der Militärparade am 9. Mai zum 65. Jahrestag des Sieges auf dem Roten Platz.
"Sächsische Zeitung"