23. February 2010

Russlands Polizei hält sich Sklaven

Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau

Die Sondereinheit Omon fing Gastarbeiter ein und ließ sie für sich und einen Vize-Minister arbeiten.

Wenn die Busse der Polizei-Sonder-Einheit „Subr“ (Wisent) vorfuhren, hatten die Tagelöhner, die jeden Morgen ab sieben Uhr an der Jaroslawskoje Chaussee auf Arbeitgeber warteten, fast keine Chance. Fast täglich kamen die Polizisten mit zwei Bussen und trieben auf dem größten Markt für Tagelöhner in der Region nordöstlich von Moskau Arbeitssklaven zusammen.

„Manchmal waren es zwei, manchmal dreißig“, erinnert sich Larisa Krepkowa, die bis 2008 in der Subr-Sondereinheit als Hundeführerin arbeitete und jetzt gegenüber dem Moskauer Wochenmagazin New Times über das Zusammentreiben von Arbeitssklaven berichtete. Fliehen war fast unmöglich.

Hinter den Arbeitssuchenden, meist waren es Tadschiken und Usbeken, lag ein mit hohen Mauern umgebenes Datschen-Viertel, und vor ihnen dröhnte eine achtspurige Fernstraße. Wer floh, wurde von den Polizisten „hart zusammengeschlagen“, berichtet der russische Tagelöhner Pawel Miloschkin gegenüber dem Wochenmagazin. Manche Gastarbeiter aus Zentralasien seien nicht nur zur Arbeit gezwungen worden. Die „Omonzy“ missbrauchten auch einige von ihnen als lebendige „Trainingsobjekte“ bei der Ausbildung. „An ihnen haben sie Schläge trainiert. Manche kamen zurück, manche nicht“, berichtet Pawel.

Larissa Krepkowa, eine junge Frau mit Bürstenhaarschnitt, bestätigte die Vorfälle gegenüber dem Wochenmagazin. Die Sklaven hätten bis zu einem Monat – täglich außer sonnabends – ohne Geld gearbeitet und auf dem umzäunten Kasernengelände im Dorf Schelkowo gewohnt. Die Tadschiken und Usbeken hätten die dreckigste Arbeiten machen müssen, Toiletten gereinigt und Fassaden gemauert.

Löhne einbehalten


Die Arbeits-Sklaven seien auch für den Bau der Datscha von Michail Suchodolski, einem der stellvertretenden Minister des Innenministeriums, eingesetzt worden. Das Geld für die Arbeitsleistung, das gegenüber dem Innenministerium abgerechnet wurde, steckte sich die Leitung der Subr-Einheit in die eigene Tasche. Nach einem Monat wurden die Arbeiter dann in einen Vorortzug gesetzt. Erst ab diesem Moment waren die Tagelöhner aus Zentralasien frei.

Die Einheit „Subr“, die zur Sonderpolizei Omon gehört, existiert seit 2006 und wurde nach russischen Medienberichten extra zur Niederschlagung einer befürchteten Orangenen Revolution nach ukrainischem Vorbild gebildet.

Übergriffe häufen sich


Es ist nicht das erste Mal, dass „New Times“ über einen Skandal bei der Sonderpolizei Omon berichtet. Anfang Februar veröffentlichte das Magazin einen offenen Brief von zehn Omon-Polizisten an Kreml-Chef Dmitri Medwedjew. Darin beschwerten sich die Polizisten, dass sie teilweise bis zu zwanzig Stunden am Tag Dienst tun müssen. Außerdem müsse das Bataillon pro Schicht das Plansoll von drei Festnahmen erfüllen. Auch setze man sie zum Geldverdienen ein. So müssten sie Bordelle, Mafia-Größen und Villen bewachen. Das Innenministerium bestritt die Anschuldigungen und drohte dem Blatt mit Klage wegen Verleumdung.

Laut Umfragen haben mehr als zwei Drittel der Russen kein Vertrauen in die Polizei. Seit einem Jahr häufen sich die Fälle von Polizeigewalt gegen Bürger. So der Amoklauf des Moskauer Polizei-Majors Denis Jewsjukow, der im April 2009 einen Taxifahrer erschoss, dann in einem Supermarkt sieben Personen verletzte und eine weitere Person tötete.

Anfang Januar wurde in der sibirischen Stadt Tomsk der bekannte Journalist Konstantin Popow in einer Ausnüchterungszelle von einem Polizisten geschlagen. Popow fiel ins Koma und starb an der Verletzung innerer Organe.

Vorige Woche raste in Moskau der betrunkene Polizei-Major Aleksandr Rasumnych mit seinem Privat-Mercedes auf einen Bürgersteig und verletzte eine Passantin. Seine Dienststelle versuchte, den Vorfall zu vertuschen, doch Augenzeugen informierten die Medien.

Medwedjews Reform


Präsident Medwedjew hat nun eine grundlegende Reform der Polizei angekündigt. Eine Welle der Gewalt habe dem Ansehen der Polizei schwer geschadet, erklärt der Präsident. Am Donnerstag entließ der Kreml-Chef 17 hohe Polizeibeamte, darunter zwei stellvertretende Innenminister. Bis 2012 soll die Zahl der Polizisten um 20 Prozent reduziert werden. Durch die Personal-Reduzierung werden Finanzmittel frei. Medwedjew versprach, die Gehälter der Polizei-Offiziere, die jetzt zwischen 300 und 660 Dollar verdienen, zu erhöhen.

"Sächsische Zeitung"

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