Anatoli Schari
Die Partei Schari wurde vom Justizministerium im Juni 2019 registriert. Parteigründer Schari will auch persönlich bei Wahlen in der Ukraine kandidieren. Von den ukrainischen Gerichten wurde das aber bisher nicht zugelassen. Die Begründung ist, der Blogger habe die Ukraine 2012 verlassen.
Zu den Kommunalwahlen am 25. Oktober 2020 will die Partei Schari antreten. Nach einer Ermittlung des Kiewer Instituts für Soziologie liegt das Rating der Partei bei fünf Prozent und damit weit über den offen rechtsextremen Kleinparteien.
Auf der Partei-Website ist angegeben, dass sich 226.000 Ukrainer der "Mannschaft Schari" zugehörig fühlen. Wie die Partei sich finanziert, ist unklar. Über das Internet sammelt die Organisation Geld und hat Erkennungssymbole und Hashtags vorgestellt.
Die Erkennungsfarbe der Partei ist rot-weiß. Man verzichtet auf ideologische Parolen. Die Kernbotschaft von Parteigründer Schari lässt sich so zusammenfassen: Gegen selbstherrliche und autoritäre Präsidenten, gegen Krieg, Korruption, Russophobie und Antisemitismus, für eine demokratische Ukraine. Auffällig ist, dass die Partei bisher nur in der Zentral-, Süd- und Ostukraine Vertretungen hat, nicht aber in den acht westukrainischen Regionen.
Dass Petro Poroschenko bei der Präsidentschaftswahl im April 2019 nur 24 Prozent der Stimmen bekam, rechnet sich Schari als persönlichen Erfolg an. Unerbittlich hat er seit 2014 in seinen Videos die Skandale dokumentiert, in die der damalige ukrainische Präsident Poroschenko verwickelt war.
In den Videos ging es um die Aufträge, die das ukrainische Verteidigungsministerium an Poroschenko-Rüstungsfirmen vergab. Es ging auch darum, wie Poroschenkos Schokoladenfirma Roschen ihre Gewinne in Offshore-Zonen vor der ukrainischen Steuerbehörde versteckte.
Zusammen mit Jelena Lukasch - bis zum Februar 2014 ukrainische Justizministerin - deckten Schari und sein Team auf, dass viele der angeblich im Februar 2014 auf dem Maidan von Berkut-Polizisten erschossenen Maidan-Demonstranten, die seit 2014 als "Himmlische Hundertschaft" zu Nationalhelden der Ukraine verklärt wurden, durch das Verschulden der Maidan-Kämpfer selbst zu Tode kamen und nicht - wie von der Macht in Kiew und westlichen Medien behauptet - von Berkut-Polizisten erschossen wurden.
Im Dezember 2019 zeigte Schari auf seinem Kanal ein Video, welches von einem Agenten des ukrainischen Geheimdienstes SBU im Kiewer Gewerkschaftshaus - vermutlich im Februar 2014 - aufgenommen wurde, bevor das Gewerkschaftshaus am 19. Februar 2014 von der Spezialeinheit Alfa gestürmt wurde und fast vollständig ausbrannte.
In dem von Schari veröffentlichten Video ist zu sehen (ab Minute 7:22), dass Maidan-Kämpfer im Gewerkschaftshaus ein Chemielabor betrieben. Nach Meinung des Bloggers wurden dort Molotow-Cocktails und Sprengsätze hergestellt, die auf dem Maidan gezündet werden sollten. Der Blogger schließt nicht aus, dass auf das Chemielabor mit einem eingeschmuggelten Paket, welches angeblich medizinische Hilfe enthielt, ein Anschlag verübt wurde.
In seinem Video erzählt Schari, die Video-Aufnahmen des SBU-Agenten seien Vertretern der Botschaften von Deutschland, Frankreich und Polen noch vor dem Sturm auf das Gebäude gezeigt worden. Die Botschaftsmitarbeiter hätten den Aufnahmen aber nicht geglaubt. Sie hätten das Gebäude dann besucht. Der Blogger vermutet, dass die Vertreter der Botschaften bei dem Besuch auch das Chemielabor gesehen haben. Belegen kann der Blogger diese Behauptung aber nicht.
In einem Video vom November 2019 untersuchte der Blogger Schari einen weiteren Fall eines "Maidan-Helden", der zu Tode gekommen war. Es ging um den Tod von Sergej Didytsch, ein Abgeordneter der rechtsradikalen Partei Swoboda aus dem westukrainischen Iwano-Frankiwsk. Didytsch starb am 18. Februar 2014 an der Explosion einer Granate, hatten Maidan-freundliche Medien damals berichtet.
Die ukrainische Justiz verurteilte später den Berkut-Polizisten Andrej Efimin, der Didytsch angeblich bei den Auseinandersetzungen im Zentrum von Kiew mit seinem Schlagstock geschlagen hat, worauf Didytsch stürzte.
Doch ein von Schari präsentiertes Video belegt (ab Minute 7:21 ) die Behauptung nicht, dass der Swoboda-Abgeordnete durch den Schlag eines Polizisten starb. Das Video zeigt, dass der Schlag des Berkut-Polizisten den Swoboda-Mann Didytsch verfehlte. Man sieht, dass der Abgeordnete stürzte, weil er von einem Lastwagen erfasst wurde. Der Lastwagen wurde laut Untersuchungsbericht der Ermittlungsbehörde von dem Maidan-Kämpfer Leonid Bibik gesteuert. Aus dem Ermittlungsbericht geht hervor, dass Bibik, der den Lastwagen zusammen mit anderen Maidan-Kämpfern von der Polizei erobert hatte, mit hoher Geschwindigkeit gezielt auf Polizisten zufuhr, um sie umzufahren. Bei dieser brutalen Aktion wurde auch der Maidan-Kämpfer Didytsch getötet.
Doch für den Tod des Swoboda-Abgeordneten Didytsch machte die ukrainische Justiz nicht den Fahrer des geenterten Polizei-Lastwagens, sondern den Berkut-Polizisten Andrej Efimin verantwortlich, der auf Bewährung frei kam, weil er seine "Schuld" eingestand.
Als Schari im Mai 2018 aufdeckte, dass im ukrainischen Generalkonsulat in Hamburg ein Konsul mit Sympathien für Hitler sitzt, wurde der Blogger auch international bekannt. Schari war als "Freund" auf die Facebook-Seite von Konsul Wassyl Maruschtschinez gelangt und hatte dort zahlreiche Fotos und Äußerungen vorgefunden, die belegten, dass der Konsul ein Antisemit und Anhänger Adolf Hitlers ist. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimko war gezwungen, Maruschtschinez sofort aus dem Dienst zu entlassen.
Wie es in der Ukraine weitergeht ist ungewiss. Ob es den nicht-nationalistischen Parteien und Oppositionellen gelingen wird, den vergrößerten Bewegungsspielraum, den es seit dem Amtsantritt von Selenski gibt, weiter zu nutzen und stärker zu werden, oder ob der Geheimdienst und das Innenministerium die Rechtsradikalen einsetzen wird, um eine Stärkung der Opposition zu verhindern, ist noch offen. (Ulrich Heyden)
veröffentlicht in: Telepolis