28. April 2010

Ukraine: Tränengas im Parlament

von Ulrich Heyden

Die ukrainische Opposition versuchte die Abstimmung über den Vertrag zum russischen Flottenstützpunkt auf der Krim zu verhindern.

Moskau. Begleitet von heftigen Tumulten stimmten gestern 236 Abgeordnete des ukrainischen Parlaments für die Verlängerung des Vertrages über den russischen Flottenstützpunkt auf der Krim. Die Schwarzmeerflotte kann damit bis 2042 in den Buchten von Sewastopol bleiben. Der laufende Vertrag endet im Jahr 2017.

Während vor dem Gebäude der Werchownaja Rada zehntausend Anhänger von Julia Timoschenko und anderen Oppositionsführern mit ukrainischen Fahnen demonstrierten, konnte Parlamentspräsident Wladimir Litwin die Sitzung nur unter dem Schutz von großen Regenschirmen abhalten. Die Opposition bewarf das Präsidium unaufhörlich mit rohen Eiern. Abgeordnete der Partei "Unsere Ukraine" schlugen sich mit Abgeordenten der prorussischen Partei der Regionen, der auch der neue ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch angehört. Schließlich zündeten die Gegner des Vertrages zwischen den Stuhlreihen Tränengasgranaten, was die Abstimmung jedoch nicht verhindern konnte. Angeblich waren im Parlament weniger als 236 ihrer Abgeordneten als anwesend registriert gewesen.

Russische Duma gleichmütig

Die Abstimmung in der russischen Duma, die gestern fast zeitgleich erfolgte, lief erwartungsgemäß ruhig. 410 von 425 Abgeordneten stimmten für den Vertrag. Russlands Nato-Botschafter, Dmitri Rogosin, erklärte, mit der Verlängerung des Vertrages rücke die von Ex-Präsident Juschtschenko angestrebte Nato-Mitgliedschaft der Ukraine in weite Ferne.
Der Vertrag über die Verlängerung des Aufenthaltsrechtes der Schwarzmeerflotte war letzte Woche vom russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und seinem neuen ukrainischen Amtskollegen Viktor Janukowitsch unterzeichnet worden. Russland erklärte sich im Gegenzug bereit, der Ukraine bei den Gaslieferungen 30 Prozent Preisnachlass zu gewähren. Der russische Premier Wladimir Putin, der sich gestern in Kiew aufhielt, bezifferte den Preisnachlass beim Gas auf 40 bis 45 Milliarden Dollar. "Soviel kostet keine Militärbasis auf der ganzen Welt."

Putin wittert Oberwasser


Seit der Orangenen Revolution 2004 bemühte sich der Kreml, die Gemüter in der Ukraine nicht unnötig zu erhitzen. Doch seitdem in Kiew wieder ein russlandfreundlicher Präsident im Amt ist, erlaubt sich auch Wladimir Putin wieder schnoddrige Bemerkungen. In Anspielung auf die Artikel einer ukrainischen Zeitung, die vor einem Ausverkauf des Landes an Russland warnte, erklärte Putin, die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin, Julia Timoschenko, habe bei den Verhandlungen mit der russischen Seite nichts gegen die Verlängerung des Stützpunktvertrages gehabt. "Es ging nur um den Preis." Und der sei jetzt ziemlich hoch. "Für den Preis würde ich Janukowitsch aufessen", frotzelte Putin. Natürlich ginge es Russland aber nicht nur um das Geld, sondern um die Zusammenarbeit mit der Ukraine. Die Zusammenarbeit "in der militärischen Sphäre" verstärke "das Vertrauen" zwischen beiden Ländern. Geplant ist auch eine enge Zusammenarbeit in der Atomindustrie und beim Flugzeugbau. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch erklärte gestern vor der parlamentarischen Versammlung des Europarates, das neue Bündnis richte sich "nicht gegen dritte Staaten". Es nütze auch Europa und der ganzen Welt.

Für Wladimir Putin war das Abstimmungsresultat ein persönlicher Erfolg, denn die russische Elite hat es seit der Orangenen Revolution 2004 nicht verschmerzt, dass sich der slawische Nachbar stark an die USA annäherte und der inzwischen abgewählte Präsident Juschtschenko mit aller Kraft auf einen Nato-Beitritt seines Landes drängte.

"Thüringer Allgemeine"


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