Verfolgungsjagd mit Rubelregen
(Ulrich Heyden). Moskau Es war eine wilde Verfolgungsjagd. Ein silbergrauer Mitsubishi Montero Sport jagte die Warschauer Chaussee im Süden Moskaus hinunter, eine sechsspurige Straße, die zum Flughafen Domodedowo führt. Im Fluchauto saß Boris Simonow, der stellvertretende Regionalleiter der Behörde "Rosrybolowstwa" mit seinem Fahrer. Der Vorfall wurde jetzt bekannt.
Die Behörde "Rosrybolowstwa" beaufsichtigt den Fischfang im Moskauer Gebiet. Simonow hatte kurz zuvor von der Privatfirma "Goldener Karpfen", die Anglern gegen Geld Bescheinigungen ausstellt, zwei Pappkartons mit zehn Millionen Rubel (rund 263 000 Euro) Schmiergeld erhalten. Um die Zahlung zu vertuschen, hatte der Chef der Regional-Behörde die Dokumente für den Fischfang in einem Cafe unterschrieben, das Schmiergeld wurde in einem anderen Moskauer Bezirk an Simonow übergeben.
Was die korrupten Beamten nicht wussten: Die Polizei und der Geheimdienst FSB waren über den Deal informiert und nahmen unmittelbar nach der Geldübergabe die Verfolgung auf. Als sie den Flüchtenden dicht auf den Fersen waren, begann Simonow, Packen mit 5000 Rubel-Scheinen aus dem Fenster zu werfen. Damit wollte er ein Verkehrschaos anrichten, um selbst zu entkommen. Doch offenbar waren er und der Fahrer so mit "Ballast abwerfen" beschäftigt, dass sie die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren und einen Auffahrunfall verursachten.
Polizei und Geheimdienst FSB griffen zu. Sie warfen die Beamten rüde auf den Asphalt, das Gesicht nach unten, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Fast zur gleichen Zeit wurde der andere korrupte Beamte, der in einem Cafe die Dokumente unterschrieben hatte, verhaftet. Die Polizei war mächtig stolz auf ihren Fang, denn das Image der Ordnungshüter hat sich in den letzten Jahren stark verschlechtert. Die Bevölkerung klagt, dass die Polizei selbst in Korruptionsfälle verwickelt sei.
Um die umherfliegenden Banknoten einzusammeln, sperrte die Polizei für drei Stunden den gesamten Autoverkehr auf der sechsspurigen Straße. Schließlich wurde bekannt gegeben, man habe neun Millionen Rubel wieder eingesammelt, eine Million sei "verschwunden". Offenbar hatten sich Autofahrer und Passanten bedient. Ohne Angabe von Gründen wurde die verschwundene Geldsumme später dann mit 40 000 Rubel angegeben.
Die Leser der russischen Zeitung "Kommersant" waren über den Vorfall alles andere als erstaunt. In dem Blog der Zeitung wurde der Vorfall rege kommentiert. Große Freude über den Erfolg der Polizei wollte allerdings nicht aufkommen. "Wenn sich nicht sehr hohe Beamte so viel nehmen, wie viel nehmen dann Beamte höheren Ranges", fragt User "byk". User "Fedja" meint, "schade, dass ich nicht da war, ich hätte mir was genommen", User "villi" kommentiert in typischem Moskauer Zynismus: "Wer nicht raubt, lebt arm."
Die private Firma "Goldener Karpfen" war nach Darstellung der Zeitung Kommersant von der staatlichen Aufsichtsbehörde "Rosrybolowstwa" erpresst worden. Die Aufsichtsbehörde hatte die Firma darauf aufmerksam gemacht, dass sich die gesetzlichen Bedingungen geändert hätten, und der gemeinsam abgeschlossene Vertrag von 2006 nicht mehr gültig sei. Der Firma drohte damit eine Vertragsauflösung und eine hohe Geldstrafe, die zum Bankrott hätte führen können.
Doch die Beamten gaben sich gnädig und erklärten, man könne das Problem mit einem neuen Vertrag und einer Rückdatierung des Vertragsdatums lösen. Für diese Dienstleitung sei jedoch eine Gegenleistung nötig.
Der Leiter des Ermittlungskomitees bei der Generalstaatsanwaltschaft, Wladimir Markin, erklärte, es sei bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Fischfang-Aufsichtsbehörde in einen großen Korruptionsfall verwickelt sei. Wenn man keine ernsthaften Maßnahmen ergreife, würden "derart schwere Verbrechen systematischen Charakter bekommen". Die Leitung der Behörde versprach daraufhin, "das Böse" mit "glühendem Stahl auszubrennen".
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"Nordkurier"