Warnung vor einem gefährlichen Gesetz
Ulrich Heyden Moskau (SN). „Russland zerbricht, wenn wir nicht helfen.“ Mit diesen Worten warb der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Sicherheit, Wladimir Wasiljew, in einer Debatte des Ausschusses für ein Gesetzesprojekt, das dem russischen Inlandgeheimdienst (FSB) das Recht gibt, Bürger schriftlich oder in einem Gespräch vorzuwarnen. Mit derartigen Vorwarnungen soll Straftaten, Extremismus und Terrorismus vorgebeugt werden.
Das Gesetzesvorhaben wurde Ende April von der Regierung in die Duma eingebracht und diese Woche in den Parlamentsausschüssen Sicherheit und Verfassungsordnung beraten.Der FSB ist besorgt über die Radikalisierung der russischen Gesellschaft und insbesondere der Jugend. Wie es im Begleittext heißt, pflegt ein Teil der Medien den „Kult von Individualismus und Gewalt“. Diese Formulierung hatte in den kritischen Medien Russlands für erhebliche Unruhe gesorgt, da die Formulierung an Sowjetzeiten erinnert.
Zur Debatte war der stellvertretende Chef des FSB, Juri Gorbunow, höchstpersönlich in den Duma-Ausschuss geeilt. Der Geheimdienst-Vize erklärte, dass man die Vorwarnungen gegenüber Bürgern schon seit 1995 praktiziere. Pro Jahr würden 2000 Vorwarnungen ausgesprochen. Um die Effektivität zu erhöhen, müssten sie gesetzlich fixiert werden.
Gennadi Gudkow, bis 1992 Oberst des KGB und heute Abgeordneter der linken Partei „Gerechtes Russland“, warnte während der Debatte im Sicherheits-Ausschuss, das neue Gesetz könne man gegen alle anwenden, die die Machthaber „scharf kritisieren“, also Medien, kritische Schriftsteller, Künstler und die „Märsche der Nichteinverstandenen“. Der Rechtsexperte der Kommunistischen Partei, Viktor Iljuchin, forderte, Vorwarnungen an Bürger der Generalstaatsanwaltschaft zu überlassen. Der Abgeordnete äußerte auch Zweifel, ob es sinnvoll sei, Vorwarnungen wie vorgesehen per Post zu verschicken.
Völlig unklar ist bisher, auf welcher Faktenbasis der Geheimdienst seine Vorwarnungen aussprechen will. Offenbar auf „anonymen Spitzelberichten“, schreibt die „Nesawisimaja Gaseta“.
Der Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin sprach von einem „der gefährlichsten Gesetze“, das das Rechtssystem Russlands zerstöre. Mit seinen „schwammigen und unverständlichen Bestimmungen“ schade es dem Geheimdienst selbst. Es erwecke den Eindruck, der FSB könne Bürger vorladen und erklären, „wenn du das nicht tust, bist du kein Staatsbürger, und wir können mit dir machen, was wir wollen.“
"Salzburger Nachrichten"