Warum brennt in Russland der Torf?
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Die Flutung der alten Torfabbaugebiete war den russischen Behörden zu teuer. Nun schwelen die unterirdischen Brände.
Torfbrände sind tückisch. Die Mikroorganismen, die im Torf leben, setzen bei ihrem Wachstum Wärme frei und können den weichen Boden auf bis zu 70 Grad aufheizen. Und Torf kann, wenn er sich mit Sauerstoff verbindet, selbst entzünden. Ähnliche biochemische Prozesse gibt es bei Stall-mist, nassem Heu oder nasser Baumwolle. Die Mikroorganismen, welche eine Selbstentzündung fördern, sind selbst bei Temperaturen von 70 Grad noch lebensfähig.
Die Gefahr der Selbstentzündung sei insbesondere dann gegeben, wenn die Feuchtigkeit des Torfes unter 40 Prozent liegt, erläutert Jewgeni Sekirin, der Leiter des Katastrophenschutzministeriums im Moskauer Gebiets. Zurzeit liege der Feuchtigkeitsgehalt in den alten Torfabbaugebieten östlich von Moskau aber nur noch zwischen 28 und 30 Prozent, so der Beamte.
Der Gouverneur des Moskauer Gebietes, Ex-Afghanistan-General Boris Gromow, hat vor einigen Tagen angekündigt, man wolle die Torfgebiete im Moskauer Umland nun wieder fluten. Das ganze Unternehmen soll 600 Millionen Euro kosten. Die Gebietsverwaltung hatte diese Kosten bisher gescheut, obwohl es auch 2002 und 2007 schon verheerende Torfbrände gegeben hatte, die Moskau zeitweise unter eine Dunstglocke legten.
Schwierige Brandbekämpfung
Nach Ansicht russischer Umweltschützer ist die Bekämpfung von Torfbränden aus der Luft nicht effektiv, weil die Brände unter der Erdoberfläche glimmen und gezielt bekämpft werden müssen. Zur Bekämpfung von Torfbränden braucht man Rohre mit kleinen Öffnungen, die in die Erde gebohrt werden und dazu dienen, das ausgetrocknete und glimmende Torf wieder feucht zu machen.
Mit dem Torfabbau hatte man im Umland von Moskau in den 1930er- Jahren begonnen. Der Torf wurde damals als Brennmaterial in die Moskauer Haushalte geliefert, bis es durch Gas als Brennstoff abgelöst wurde. Laut der Umweltschutzorganisation WWF wurde Torf aus dem Moskauer Umland später nur noch für den Bedarf des Gartenbaus in Westeuropa abgebaut.
Nach Meinung von Jewgeni Sekirin sind zehn Prozent der Torfbrände durch Selbstentzündung entstanden, der Rest durch das unachtsame Wegwerfen von Zigarettenkippen oder Streichhölzern. Es gibt aber auch andere Brandursachen: So etwa Blitzeinschläge in Gebieten, wo es weit und breit keine Feuerwehr gibt.
Torfbrände schwelen oft einige Meter unter der Oberfläche und führen zu riesigen Qualmwolken. Eine weitere Tücke: Wenn die Wurzeln von Bäumen in Torfgebieten zu glimmen beginnen, können die Bäume umfallen und vergrößern damit das Chaos in einem Brandgebiet. Die sicherste Vorsorge-Maßnahme gegen Torfbrände wären nach Meinung von Experten hundert Meter breite Schutzstreifen, die von Sträuchern befreit sind und einen Wassergräben haben.
Doch mit den Vorsorgemaßnahmen steht es in russischen Wäldern schon seit Jahren schlecht, wie Greenpeace Russland und der WWF berichten. Zum einen gäbe sehr viel illegale Holzgewinnung, was zur Verbuschung und Versteppung führe, wodurch die Wälder wie Zunder brennen. Andererseits verwildere der Wald immer mehr, weil es zu wenige Forst-Aufseher gibt. Erst 2006 wurde der staatliche Waldschutz durch ein neues Gesetz von 200000 auf 12000 Mitarbeiter reduziert. Privaten Investoren wurde der Großteil der Verantwortung für die Wälder übertragen, die staatliche Waldüberwachung per Flugzeug wurde aufgelöst.
Schutzstreifen aus Lärchen
Als Präventionsmaßnahme wird nun gefordert, die ehemaligen Torfabbaugebiete wieder unter Wasser zu setzen. Auch die Anlage von Waldbrandschutzstreifen aus feuerresistenten Lärchen hat sich vor allem im russischen fernen Osten bewährt. Experten warnen jedoch, dass bei einer Bewässerung der Torfgebiete Bäume absterben und austrocknen und so ein ideales „Futter“ für neue Brände bilden.
"Sächsische Zeitung"