9. August 2013

Zunehmende Entfremdung

Moskau. Das offizielle Moskau zeigte sich enttäuscht über die Absage von Obama, sich in Moskau mit Putin zu treffen. Dass mit der Absage aber nun ganz offiziell ein frostiges Klima beginnt, ist für die Kommentatoren ausgemachte Sache.

Für die russische Öffentlichkeit war die Absage von Obama keine Überraschung. Dass sich die russisch-amerikanischen Beziehungen seit dem Machtantritt von Putin im Mai letzten Jahres stark abgekühlt haben, ist für die Russen schon lange ein Thema.

Die Duma hatte – als Antwort auf das Magnitski-Gesetz – im Dezember letzten Jahres ein Gesetz verabschiedet, das die Adoption russischer Kinder durch Eltern in den USA verbietet. Mit dem Gesetz, was die Werbung für Homosexualität verbietet, hat die Duma den kulturellen Graben zwischen Russland und dem Westen vertieft.

„Harpune im Nacken der USA“

Der westlich orientierte Teil der russischen Elite hatte insgeheim gehofft, Edward Snowden werde Russland verlassen. In liberalen Kreisen wurde sogar die These vertreten, China hätte Snowden absichtlich nach Russland geschickt, um die Beziehungen zwischen Moskau und Washington und damit Russland selbst zu schwächen. Beweise für diese These gibt es nicht. Der Direktor des USA-Kanada-Instituts, Sergej Rogow meint, Snowden sei ein unkontrollierbarer Faktor. Weder Putin noch Obama hätten Einfluss auf ihn. Dass Russland ihn unter seinen Schutz genommen habe, sei „nicht zwingend“ gewesen.

Dass der Fall Snowden entgegen aller Erklärungen aus Washington und Moskau tatsächlich eine große Rolle im bilateralen Verhältnis spielt, bestätigt auch der in Russland bekannte Publizist und Linkspatriot, Aleksandr Prochanow. Das erste Mal seit 1991 habe es Moskau Washington „gezeigt“, triumphiert Prochanow, welcher der Sowjetunion bis heute hinterhertrauert. Der ehemalige Mitarbeiter der NSA sei „wie eine Harpune, die wir in den Nacken der USA gestoßen haben,“ erklärte der Publizist in seiner wie üblich wortgewaltigen Sprache gegenüber Radio Echo Moskau. Jetzt werde sich die Situation in eine für Russland „günstige Richtung“ entwickeln. Doch dass der Kreml mit einer Person das Kräfteverhältnis in der Welt verändern kann, ist wohl mehr das Wunschdenken eines Sowjetnostalgikers.

Kein Feld für Verständigung

Die Situation sieht nicht gut aus. Zurzeit ist kein Feld sichtbar, wo es zwischen Russland und den USA wieder zu einer Verständigung kommen könnte. Vielleicht sind es Wirtschaftsfragen. Aber auch die werden meist von der Politik dominiert.

Die Entfremdung zwischen Moskau und Washington setzte aus russischer Sicht mit den US-Plänen für die Raketenabwehr in Europa ein. Moskau fühlte sein Entgegenkommen bei der Bereitstellung von US-Basen in Zentralasien nach den Anschlägen in New York 2001 nicht belohnt. Die jahrelangen Verhandlungen um die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien hinsichtlich neuer amerikanischer Abwehrraketen in Europa führten zu keinem Erfolg. Die von Obama angebotene „Vereinbarung zur Transparenz“, die der US-Präsident als persönliche Garantie zwischen den zwei Präsidenten festschreiben aber nicht von den Parlamenten ratifizieren lassen wollte, reichte den russischen Militärs nicht als Garantie, dass die US-Abwehrraketen in Europa niemals auf russische Raketen zielen werden.

Ulrich Heyden

WAZ


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