28. December 2022

Sanktioniert wegen Berichterstattung aus Donezk?

Mit der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland sollte man als Deutscher in Moskau eigentlich ein gutes Verhältnis haben. Ich habe seit 1992 ein Postfach bei der Botschaft. Ich musste mehrmals einen neuen Pass und ein Visum für meine Frau beantragen sowie als Rentner eine Lebensbescheinigung beglaubigen lassen.

Aber die Botschaft zeigt mir nun die kalte Schulter.

Was ist passiert? Seit 1992 bekomme ich von der Presseabteilung der Deutschen Botschaft in Moskau mehrmals in der Woche eine deutsche Presseschau zum Thema Russland. Später kam noch eine Presseschau der russischen Zeitungen in deutscher Sprache hinzu. Diese Presseschauen werden nach meinem Eindruck für deutsche Botschaften, Korrespondenten und andere mit Russland befasste Personen angefertigt. Sie enthalten keine Geheimnisse.

Am 23. September 2022 wurde mir die letzte Presseschau zugeschickt. Nachdem ich die Presseabteilung der Deutschen Botschaft schriftlich gebeten hatte, mich wieder in den Verteiler für die Presserundschau aufzunehmen, bekam ich am 27. Dezember 2022 folgende Antwort:

 

Sehr geehrter Herr Heyden,

aufgrund der aktuellen Lage haben wir nach Rücksprache mit dem Botschafter entschieden, vorerst keine Presseauswertung mehr an einen ungesicherten, externen Verteiler zu schicken.

Ich hoffe, Sie haben hierfür Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Deutsche Botschaft Moskau

 

Auf diesen Brief antwortet ich am gleichen Tag mit folgenden Zeilen:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich verstehe Ihren Brief nicht. Was meinen Sie mit «ungesicherten, externen Verteiler»? Ich bin deutscher Staatsbürger und bekomme die Presseauswertung seit 1992, weil ich als deutscher Journalist in Moskau für deutsche Medien arbeite. Ich bin kein «Verteiler» sondern Endverbraucher. Können Sie mir nicht wenigstens die Auswertung der deutschen Medien schicken?

mit freundlichen Grüßen!

Ulrich Heyden

 

Eine Antwort auf meine Zeilen habe ich bisher nicht erhalten.

Nun habe ich nachgedacht, was der Auslöser gewesen sein könnte, mich von der Liste der Presseschau-Empfänger zu streichen. Am 23. September 2022 fuhr ich mit dem Zug nach Rostow am Don und von dort aus nach Donezk, um für "RT DE", die "Nachdenkseiten", "Junge Welt" und "Rubikon" über das Referendum in der Volksrepublik Donezk zu berichten. Möglicherweise war man über die Tatsache, dass ein deutscher Journalist aus Donezk über ein Referendum über die Vereinigung mit Russland berichtet, verstimmt und beschloss mich zu sanktionieren.

Für mich ist das keine Lapalie, weshalb ich die Angelegenheit hiermit öffentlich mache.

 

Weitere Artikel zum Thema: 

Donezk: Glühender Raketen-Schrott am Nachthimmel ("Nachdenkseiten" 13.10.22)

„der Freitag“ – auf dem rechten Auge blind? ("Nachdenkseiten" 25.03.22)

Diplomat oder Zuspitzer (Blog "der Freitag" 11.10.18)
 


 

 

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