14. September 2007

"Absuchen der Computer bringt nichts"

Die Verantwortung für die geplanten Terroranschläge in Deutschland hat die "Islamic Dschihad Union" übernommen. Zu den Forderungen gehörte die Aufgabe des Militärstützpunktes Termes im Süden Usbekistans, den die Bundeswehr als Luftdrehkreuz für ihren Afghanistan-Einsatz nutzt. Der Russe Alexej Malaschenko ist Zentralasien-Experte und Mitarbeiter des Moskauer Carnegie-Instituts. Der Politologe forscht auch zu den komplizierten Terrorstrukturen in Zentralasien.

Herr Malaschenko, in Deutschland wurden drei Männer verhaftet, die angeblich einen Terroranschlag vorbereiteten und Mitglied der "Islamic Dschihad Union" sein sollen. Kennen Sie die Organisation?

Die Erwähnung dieser Organisation in der westlichen Presse bedarf einer Präzisierung. Bisher ist eine Organisation mit solch einer Bezeichnung nicht in Erscheinung getreten. Vielleicht hat jemand den Namen falsch übersetzt. Für kleine Gruppen ist die Planung eines Angriffs auf amerikanische Einrichtungen nicht realistisch. Ich vermute, diese Gruppe arbeitete unter dem Dach von El Kaida. Wir wissen aus Erfahrung, dass Anschläge auf US-Einrichtungen in Afrika und Asien lange vorbereitet wurden. Es gibt Tausende derartiger Gruppen auf der ganzen Welt, zum Beispiel bei uns im Nordkaukasus. Zwei, drei Leute haben sich zusammengetan und etwas in die Luft gesprengt. Den Namen der Gruppe hört man oft zum ersten Mal.

Die "Islamic Dschihad Union" soll eine Abspaltung der "Islamischen Bewegung Usbekistans" sein. Was wissen Sie über diese Gruppe?

Das Problem mit den Informationen aus Zentralasien ist, dass sie immer sehr ungenau sind. Bei der "Islamischen Bewegung Usbekistan" wusste man jahrelang nicht, ob der Führer nun tot ist oder nicht. Es gab viele Gerüchte. Plötzlich lebte er wieder. Dann war er wieder tot. Soviel wissen wir: Die Organisation wurde 1996 gegründet. In den Jahren 1996 bis 1999 war sie sehr aktiv. Sie organisierte Bombenanschläge in Taschkent (Hauptstadt Usbekistans). Auch im Fergana-Tal waren sie sehr aktiv. Dann wurden sie schwächer. Dafür wurde die Organisation Hizb-ut-Tahrir stärker.

Wie viele Mitglieder hat die "Islamische Bewegung Usbekistans"?

Niemand weiß das genau. Die Zahl schwankt zwischen 500 und 5000. Die Führung, das sind zwei drei Leute, ändern ständig ihren Aufenthaltsort. Mal sind sie in Afghanistan, mal in Tadschikistan. Aber sie können jederzeit zurückkehren und in Usbekistan mit Aktionen anfangen.

Die Mitglieder der jetzt in Deutschland verhafteten Gruppe wurden beobachtet und haben trotzdem weitergemacht.

Möglicherweise wollten sie auf diese Weise von einem Anschlag einer anderen Gruppe ablenken.

In Deutschland wird heftig darüber gestritten, ob die Sicherheitsbehörden ihre Kontrollmöglichkeiten ausweiten und auch Zugang zu persönlichen Computern der Bürger haben sollen.

Das Absuchen der Computer bringt nichts. Die realen Islamisten haben viele Möglichkeiten sich der Kontrolle zu entziehen.

Ziel der hier Verhafteten war es offenbar, dass Deutschland seinen Stützpunkt in Usbekistan schließt und seine Truppen aus Afghanistan zurückzieht.

Deutschland ist in keiner einfachen Lage, weil es von Islamisten angegriffen werden kann. Man muss eine politische Entscheidung treffen. Wenn man Angst vor den Terroristen hat, werden sie immer frecher. Im Prinzip unterstützt Deutschland die Aktionen der Amerikaner in Afghanistan und im Irak, zieht daraus aber keinen politischen Nutzen. Deutschland tritt dort als Verbündeter der USA auf und nicht als selbstständige Kraft. In Zentralasien ist man gewohnt, dass Russland, China und die USA um Einfluss ringen. Europa ist einfach nur anwesend. Deutschland muss sich stärker im Nahen Osten und in der moslemischen Welt einbringen.

Deutschland sollte seinen Stützpunkt in Usbekistan behalten, ungeachtet dessen, dass es dort ein autoritäres Regime gibt?

Deutschland ist eine normale, große Macht und sollte dort bleiben. Deutschland ist nicht Amerika. Die deutsche Anwesenheit symbolisiert die Anwesenheit Europas. Die Regimes dort haben Angst vor Amerika, weil die USA auf sie Druck ausüben.

Von Menschenrechtsgruppen wird kritisiert, dass Deutschland gegenüber Diktaturen in Zentralasien zu weich auftritt.

In dieser Strategie gibt es viel Naives, aber Europa muss dort vertreten sein. Was die Ansprechpartner dort betrifft: In Zentralasien gibt es nun mal nur autoritäre Regimes und nur solche kann es dort geben. Wenn man dort versucht, künstlich eine Demokratie zu schaffen, führt das nur zu gegenteiligen Reaktionen.

Die Fragen stellte Ulrich Heyden, n-ost

"Südkurier"

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