18. July 2007

Angst vor ukrainischer Phosphorwolke

In der Westukraine gerieten mit gelbem Phosphor beladene Zisternen eines entgleisten Güterzuges in Brand.

Die entstandene Phosphor-Wolke hat sich nach offiziellen Angaben bereits aufgelöst. Doch Ökologen erklärten, es bestehe immer noch Gefahr und forderten die Evakuierung der umliegenden Dörfer.

Das Dorf Oschidiw in der Westukraine wirkte zwei Tage nach dem Eisenbahnunglück nahe der polnischen Grenze immer noch wie ausgestorben. Die Ortschaft liegt nur zwei Kilometer von der Stelle entfernt, an der am Montag ein Güterzug mit 58 Wagen verunglückte. Der aus Kasachstan kommende Zug war unterwegs nach Polen. 15 mit gelbem Phosphor beladene Zisternen entgleisten und finden Feuer. 69 Anwohner – darunter 19 Kinder - und 14 Helfer des Katastrophenministeriums mussten mit Vergiftungserscheinungen in Krankenhäuser eingeliefert werden. Aus Angst vor einer Phosphorwolke flüchteten achthundert Dorfbewohner aus ihren Ortschaften. Durch den Brand der Zisternen bildete sich eine Phosphorwolke. Die Wolke bedroht 14 Dörfer mit 11.000 Einwohnern. Inzwischen konnten Mitarbeiter des Katastrophenschutzes den Brand mit einem Schaumteppich stoppen. Im Dorf Oschidiw, saßen die Menschen am Mittwoch immer noch bei geschlossenen Fenstern in ihren Häusern. Das Wasser aus den Brunnen wollten sie nicht trinken, obwohl die Regierung bereits Entwarnung gegeben hatte und erklärt hatte, die Phosphor-Konzentration in Luft und Wasserwerte seien normal. Die Internetzeitung „Korrespondent“ berichtete, in den Dörfern Angeliwka und Lesnoje seien Phosphorkonzentrationen in der Luft gemessen worden, die das Zwanzigfache über der zulässigen Norm liegen. Ökologen aus dem Karpaten-Gebirge forderten die Evakuierung der Bevölkerung. In der ukrainischen Hauptstadt widersprachen Vertreter des Katastrophenschutzministeriums Gerüchten, die Phosphor-Wolke sei Richtung Kiew unterwegs. Derartige Gerüchte seien „absurd“, erklärte ein Vertreter des Ministeriums gegenüber der Internetzeitung „Korrespondent“. „Es gibt und es gab keine Wolke.“ Der stellvertretende ukrainische Ministerpräsident Aleksandr Kusmuk hatte am Dienstag noch erklärt, „nach der Tschernobyl-Katastrophe haben wir es mit einem Fall zu tun, der unsere Menschen bedrohen kann.“ Der Minister erklärte, das Unglück sei „ein außergewöhnlicher Zwischenfall, und wir können nicht sagen, wie sich das Ganze entwickelt.“ Am Mittwoch erklärte Kusmusk, für die Bevölkerung bestehe keine Gefahr.

Selbstentzündung der Phosphor-Zisternen

Bei dem Eisenbahnunglück hatten sich die entgleisten Zisternen selbst entzündet. Gelber Phosphor entzündet sich beim Kontakt mit Luft, die eine Temperatur von 34 Grad hat, von selbst.
Aleksandra Schach, die Vorsitzende der Dorfveraltung von Oschidiw, erklärte gegenüber dem Kanal NTW, man habe die Bevölkerung aufgefordert, zuhause zu bleiben. „Wir haben dazu aufgerufen, die Fenster zu schließen und die Kinder nicht auf die Straße zu lassen. Wir hatten große Angst, weil die Wolke direkt über unser Dorf gezogen ist.“
Am Mittwoch waren in der Region rund um den Unglücksort Truppen des Chemiewaffenschutzes im Großeinsatz. Soldaten nahmen in Wäldern und Feldern Luft- und Wasserproben. Die Helfer arbeiteten in Spezialanzügen und Atemgeräten, wussten aber zunächst nicht, um was für ein Gas es sich am Unglücksort handelt. Nun sind Spezialisten aus Kasachstan in die Ukraine unterwegs. Sie sollen bei der Aufklärung der Katastrophe helfen.
Unklar ist bisher, warum die Güterzüge entgleisten. Augenzeugen wollen unmittelbar vor dem Unglück einen Knall gehört haben.

copyright by Ulrich Heyden Moskau 2007, Veröffentlichung nur nach Rücksprache

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