Ausnahmezustand und Neuwahlen in der Mongolei
Ulan Bator/Moskau. Der Präsident der Mongolei stellt die Wiederholung der umstrittenen Wahlen in Aussicht. Nach den bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen in der Hauptstadt Ulan Bator hat sich die Lage am Mittwoch stabilisiert.
Die Geschäfte in der Hauptstadt waren wieder geöffnet. Auch der öffentliche Nahverkehr funktionierte wieder. Der Thüringer Bundestagsabgeordnete Manfred Grund (CDU), der die Parlamentswahlen im Rahmen einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Reise beobachtete, erklärte, man könne sich jetzt tagsüber wieder frei in der Stadt bewegen und fotographieren. Die Staatsmacht zeige mit ihren Sicherheitskräften allerdings „Flagge“. Die privaten Fernsehkanäle seien abgeschaltet.
Zu den gewalttätigen Ausschreitungen kam es, nachdem die oppositionelle Demokratische Partei und das kleine „Bürgerbündnis“ die Wahlen am vergangenen Sonntag für gefälscht erklärten, ohne Beweise vorzulegen. Die regierende Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MVPR) hatte bei den Wahlen 44 der 76 Parlamentssitze errungen und könnte damit alleine regieren.
Demonstranten zünden Hauptquartier der Regierungspartei an
Die Demokratische Partei bekam 26 Sitze. Die Kritik der Opposition an dem offiziellen Wahlergebnis hatte sich zunächst auf zwei Wahlbezirke in Ulan Bator konzentriert und wurde dann auf die Ergebnisse im ganzen Land ausgeweitet.
In Ulan Bator hat es schon häufig Proteste gegeben, doch die gewalttätigen Unruhen, die nach der Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse ausbrachen, war von ihrem Ausmaß her neu für die Mongolei. 1.500 Demonstranten stürmten den Sitz der MVPR, steckten Regierungsgebäude und Autos in Brand und plünderten Geschäfte und Gemäldegalerien. Fünf Menschen starben während der Auseinandersetzungen, dreihundert wurden verletzt. Zwei der Toten sollen Schusswunden haben.
Präsident verspricht Überprüfung und Neuwahlen
Der Präsident der Mongolei, Nambaryn Enkbayar, der der MVPR angehört, verhängte einen viertägigen Ausnahmezustand. In einer Fernsehansprache erklärte Enkbayar, die Wahlergebnisse würden überprüft. „Wenn es wirklich massenhafte Wahlfälschungen gegeben hat, müssen die Ergebnisse für ungültig erklärt werden und die Wahlen wiederholt werden.“
Das Parlament kam am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammen, um über einen Ausweg aus der Krise zu beraten.Der russische Fernsehkanal ORT zeigte Bilder von Jugendlichen, die Steine in ein brennendes Gebäude warfen, Polizisten, die ihre Gewehre anlegten und Demonstranten, die sich aus Angst vor Schüssen duckten. Augenzeugen berichten, dass es Warnschüsse gab. Einen Schießbefehl habe es aber nicht gegeben, berichtet der deutsche Parlamentarier Manfred Grund.
Die meisten Mongolen mit denen Grund sprach, seien über die Ausschreitungen „entsetzt“. Der deutsche Parlamentarier sieht angesichts des Gewaltausbruchs Fehler sowohl auf Seiten der Regierung als auch auf Seiten der Opposition. Die gewalttätigen Proteste seien von „bestimmten Kräften“ angeheizt worden, meint der deutsche Parlamentarier.
Nach Medienberichten gibt es in der mongolischen Elite Auseinandersetzungen über die Aufteilung der Gewinne aus den Bodenschätzen. Die Mongolei verfügt über die weltweit größten noch nicht erschlossenen Vorkommen an Kupfer und Kokskohle.
Armut trotz Wirtschaftsaufschwung seit 1990
Die Mongolei ist etwa viermal so groß wie Deutschland, hat aber nur 2,7 Millionen Einwohner. Wegen der gestiegenen Weltmarktpreise für mongolische Bodenschätze wie Gold, Kupfer und Kohle erreichte das Steppenland in den vergangenen Jahren ein Wirtschaftswachstum von bis zu zehn Prozent.
Von dem Wachstum profitiert jedoch nur ein Teil der Bevölkerung. 40 Prozent der Mongolen leben unter der Armutsgrenze. Ein Drittel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft beschäftigt. In der Industrie dominiert der Bergbau.
Die ehemals sozialistische Mongolei ging ab 1990 den Weg demokratischer Reformen. Die ex-kommunistische MRVP regiert das Land mit Unterbrechungen seit 1921. Einzelne hohe Funktionäre seien jedoch wegen Korruption in der Bevölkerung verhasst, berichtet Grund. Heute habe die MRVP eher ein sozialdemokratisches Profil.
Wahlen in der Jurte
Der Thüringer, der Wahllokale in Jurten-Siedlungen außerhalb der Hauptstadt besuchte, hat selbst keine Wahlfälschungen beobachtet. Wie ihm aber die stellvertretenden Vorsitzende der Demokratischen Partei Munk Tuja mitgeteilt habe, seien die Wahlzettel in den Wahllokalen von einer einzigen Person ausgewertet worden. Es habe keine Kontrollmöglichkeiten gegeben.
Der deutsche Parlamentsabgeordnete berichtete, die Wahlen in den Jurten-Siedlungen seien wie Familientreffen gewesen. Die Menschen seien auf Pferden und Motorrädern aus bis zu 75 Kilometer Entfernung angereist. Die Regierungspartei MRVP – so die Einschätzung des Thüringers – sei zwar wegen Korruption in Verruf, habe aber trotzdem die Mehrheit der Menschen hinter sich. Auch die Demokratische Partei habe sich „nicht mit Ruhm bekleckert“. Nun gehe es darum, dass die beiden großen Parteien, die MRVP und die Demokratische Partei einen friedlichen Weg aus der Krise finden.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief schon am Mittwoch beide Seiten zur Zurückhaltung auf. In Anspielung auf die Tulpen- und die Rosenrevolution in Kirgisien und Georgien erklärte Lawrow, die bunten Revolutionen hätten bisher nur „traurige Resultate“ gebracht.
Ulrich Heyden, Moskau, für Russland-Aktuell
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