Bruchlandung im Nebel
Petrosawodsk/Moskau – 44 Tote und acht Verletzte, das ist die grausige Statistik nach der Flugzeugkatastrophe, die sich in der Nacht auf Dienstag nahe der karelischen Stadt Petrosawodsk 700 Kilometer nördlich von Moskau ereignete. Eine Tupolew 134, Baujahr 1980, machte aus bisher noch ungeklärten Gründen 700 Meter vor der Landebahn auf einer Zubringer-Straße eine Bruchlandung, geriet dann in Brand und explodierte.
Während der Katastrophe herrschte dichter Nebel.
Unter den Toten ist ein Deutsch-Russe. Nach bisher unbestätigten Angaben starben auch ein Schwede und ein Holländer, Vertreter russischer Atom-Firmen sowie der russische Fußballschiedsrichter Wladimir Petai. Präsident Dmitri Medwedew ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.
Acht Überlebende wurden in Krankenhäuser in Petrosawodsk eingeliefert. Um die Schwerverletzten besser versorgen zu können, wurden fünf von ihnen gestern in Moskauer Krankenhäuser verlegt. In Petrosawodsk verblieb der neunjährige Anton und seine 14jährige Schwester Anastasija. Die Ärzte kämpfen um ihr Leben.
Nach Angaben der Flughafen-Verwaltung von Petrosawodsk hatte die verunglückte Maschine eine Hochspannungsleitung gestreift, wodurch angeblich die Beleuchtung der Landebahn für einige Sekunden ausfiel. Der für den Landeanflug im Tower des Flughafens zuständige Fluglotse Sergej Schmatkow erklärte gegenüber russischen Medien, eine Landung sei im Prinzip möglich gewesen. Trotzdem habe er dem Piloten Aleksandr Fjodorow wegen des dichten Nebels dringend geraten, eine zweite Schleife über dem Flughafen zu drehen. Doch der 44-Jährige habe erklärt, er werde das Flugzeug in Handsteuerung landen. Laut Fluglotse Schmatkow war die Situation ähnlich wie beim Absturz des polnischen Präsidenten-Liners, bei dem es sich ebenfalls um eine Tupolew 134 handelte. Die Fluggesellschaft Rus-Air erklärte, der Pilot der Unglücksmaschine habe 3000 Flugstunden absolviert und sei sehr erfahren gewesen.
Im Internet kursierten Video-Aufnahmen von einem Mann in roter Sportjacke, der mehrere Opfer rettete. Der Mann stammelte sichtlich betroffen: „Ich habe zwei Menschen rausgezogen, von der Mitte der Straße. Einen habe ich nicht mehr geschafft. Alles brannte. Scheußlich.“ Auch bei diesem Unglück bestätigte sich, dass jede russische Katastrophe ihre Helden hat. Immerhin schafften es die Piloten, das Flugzeug auf einer Straße zu landen. Die Maschine kam nur 20 Meter vor einer Siedlung zum Stehen.
Die Unglücksmaschine vom Typ Tupolew 134 wurde in den 1960er Jahren entwickelt. Die „Tuschka“, wie das Flugzeug im Volksmund heißt, war eine der meistproduzierten sowjetischen Verkehrsflugzeuge. In Russland sind zurzeit nur noch 25 Tuschkas im Einsatz – die russischen Fluggesellschaften steigen auf ausländische Flugzeuge vom Typ Airbus und Boeing um.
Dass sich das Unglück am Tag der Eröffnung der Luftfahrtschau in Frankreich ereignete, ist für Russland unangenehm. Denn das Image der russischen Luftfahrt ist durch den veralteten Flugzeugpark in Verruf geraten. Einziger Hoffnungsschimmer ist das kürzlich in Dienst gestellte Regionalflugzeug Superjet 100. Er wird zwar in Russland gebaut, ist aber voller westlicher Technik – die Bordelektronik kommt aus Deutschland und den USA.
veröffentlich in: Südkurier