16. October 2010

Da ist der Wurm drin

Moskau – Dmitri Selenin ist auf Tauchstation gegangen. Der 47-jährige Gouverneur der russischen Region Twer ist nicht zu erreichen.
Der Grund ist das Foto von dem Regenwurm auf dem Salatteller, welches Selenin auf Twitter gepostet hatte und das seitdem nicht nur im russischen Internet, sondern auch im Ausland für Erheiterung sorgt. Manche Medien-Kommentatoren sprechen von einem Skandal, denn der Empfang im Kreml, wo der Regenwurm auf einem Teller gesichtet wurde, wurde zu Ehren von Bundespräsident Christian Wulff gegeben.
Der Gouverneur hatte in seinem Twitter-Eintrag locker kommentiert: „Auch im Aleksander-Saal des Kreml passiert so etwas. Zusammen mit Rindfleisch wird ein Salat mit lebendem Regenwurm serviert.“ Mit dem Foto wollte sich Selenin wahrscheinlich nur einen Spaß machen. Vielleicht wollte er auch seinem Familiennamen eine Ehre machen. Denn „Selen“ heißt auf Russisch „Gemüse“ oder auch „Grünzeug“. Der Regenwurm war für den Gouverneur also in mehrerer Hinsicht eine Zumutung. Vielleicht wollte Selenin auch seine Macht demonstrieren, denn mit 3,5 Millionen Dollar Privatvermögen ist er der reichste Gouverneur Russlands.
Dmitri Medwedew selbst hat sich zum Fall Selenin bisher nicht geäußert. Mehrere hohe Beamte im Kreml reagierten bitterernst. Sergej Prichodko, ein Berater des russischen Präsidenten, erklärte, man müsse Gouverneure auch wegen „Idiotie“ entlassen können. Außerdem rate er jedem, sich eine Einladung an Dmitri Selenin vorher genau zu überlegen. Der Sprecher der Präsidialverwaltung, Viktor Chrekow, sagte, der Ablauf der Salat-Vorbereitung werde genau geprüft, ein Fehler sei jedoch unwahrscheinlich, weil die Empfänge im Kreml „bis ins Detail“ vorbereitet würden. Im Übrigen habe es sich bei dem Objekt auf dem Teller vielleicht gar nicht um einen Regenwurm, sondern um ein Stückchen Räucherspeck gehandelt. Eine erste Analyse der Details auf dem Foto habe bereits ergeben, dass das Geschirr nicht mit dem Empfang im Aleksander-Saal übereinstimmt. Falls sich der Vorwurf mit dem Regenwurm nicht bewahrheite, müsse Selenin mit einer Klage rechnen.
Der Duma-Abgeordnete Aleksander Chinschtein hat geraten, den Fall Selenin nicht zu hoch zu hängen. Ob ein Gouverneur effektiv arbeite, könne man nicht danach beurteilen, ob man „bei ihm Regenwürmer oder vielleicht auch Schaben findet“. „Wenn die Macht ihre Reaktion auf bestimmte Dinge zeigen will, die öffentlich wurden, soll man nicht mit dem Regenwurm anfangen.“ Der Politologe Aleksandr Kynew stellte fest, Gouverneur Selenin sei schon öfter durch „impulsives Verhalten“ aufgefallen. "Südkurier"
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