29. September 2010

Das unrühmliche Ende des Moskauer Bürgermeisters

Nach wochenlanger Schlammschlacht entlässt Präsident Dmitri Medwedew den einst mächtigen Juri Luschkow. Das sorgt für ein politisches Erdbeben in Russland

Moskau – Ende einer Ära: Nach einem beispiellosen Machtkampf hat Kremlchef Dmitri Medwedew den Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow entlassen. Luschkow war fast 20 Jahre im Amt und galt als einer der mächtigsten Politiker Russlands. Seit Wochen hatten die Moskauer Medien über die Absetzung gemunkelt.

Für das Machtgefüge in Russland hat sie erhebliche Bedeutung. In Moskau konzentrieren sich 80 Prozent aller Finanzströme und 20 Prozent aller Einkommen. Juri Luschkow hatte es über 18 Jahre verstanden die unterschiedlichen Interessen in der Zehn-Millionen-Stadt zu bündeln. Beginnt nun eine neue Verteilung des Eigentums?, fragen sich die politischen Beobachter. Die einfachen Moskauer sorgt jedoch vor allem, ob die sozialen Leistungen und Rentenzuschläge, die Bürgermeister Luschkow eingeführt hat, gestrichen werden.

Die Leitung der Stadtregierung übernahm Luschkows Stellvertreter, der 74-jährige Wladimir Resin. Dieser soll nach dem Willen von Russlands Präsident die Geschäfte der Stadt so lange leiten, bis ein Nachfolger für den geschassten Bürgermeister gefunden ist.
Luschkow wartete gestern in seinem Amtszimmer die Sitzung der Stadtregierung ab und fuhr dann in einem schwarzen Audi in unbekannte Richtung. Regierungschef Wladimir Putin gab Luschkow eine Mitschuld an seiner Entlassung. Zwar habe der Bürgermeister viel für Moskau getan. Luschkow hätte im Streit mit dem Präsidenten aber einlenken müssen. Kommentatoren bezeichneten den Fall Luschkow als schwerste innenpolitische Krise Russlands seit Jahren.

Grund für den Konflikt zwischen dem Kreml und dem Bürgermeister war nach Meinung von Kreml-nahen Politologen, dass Luschkow versucht habe, einen Keil zwischen Medwedew und Putin zu treiben.
In Moskau stehen jetzt möglicherweise neue Spannungen bevor. Liberale Oppositionspolitiker, wie der Führer der Oppositionsgruppe Solidarnost, Ilja Jaschin, erwarten, dass der Kreml dem geschassten Bürgermeister und „seiner Umgebung“ nun den Einfluss auf die Wirtschaft in der Stadt Stück für Stück entreißen wird. Der Führer der liberalen Jabloko-Partei, Sergej Mitrochin, wollte nicht ausschließen, dass gegen Luschkow Strafverfahren wegen Korruption eingeleitet werden.
Luschkow, dessen Amtszeit regulär im Juni 2011 zu Ende gegangen wäre, trat nach seiner Entlassung demonstrativ aus der von Putin geführten Partei aus, zu deren Gründungsvätern er gehörte. Die Hetzkampagne in den Medien der vergangenen Wochen habe ihn zutiefst verletzt, schrieb er in einer Erklärung. Er bleibe aber politisch aktiv. Sein Rauswurf gilt als erster echter Machtbeweis von Medwedew.

"Südkurier"

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