Den Russen aus der Seele gesprochen
Mit seiner Münchner Rede sammelt Putin Pluspunkte bei seinen Landsleuten.
So einer sind sie also, Mr. Putin? titelte die regierungsnahe Iswestija in gespielter Ironie. Hatte doch der russische Präsident nach Meinung der Moskauer Kommentatoren eigentlich gar nichts Außergewöhnliches gesagt, zumindest nichts, was der Kreml-Chef nicht auch schon früher angesprochen hatte.
Die Rede des Krem-Chefs in München war bei den Moskauer Zeitungen am Montag der Aufmacher. Mehrere Blätter druckten die Rede ganz oder teilweise.
Die nationalliberale „Nesawisimaja Gaseta“ stellte nüchtern fest, Russland und die USA seien keine „strategischen Partner“ mehr. Die regierungsnahe „Iswestija“ meint gar, „der Untergang unipolaren Welt ist unvermeidlich“.
Für einen neuen Rüstungswettlauf habe Russland keine Kraft, meint das Wirtschaftsblatt „Wedomosti“. Im Kreml habe man aber gut verstanden, dass die USA als Weltmacht durch eine Vielzahl von regionalen Konflikten „eine Niederlage erlitten“ habe. Der Kreml nutze diese Situation. Handelsverträge mit Indien und Ländern der arabischenWelt seien der Versuch, die eigene Position zu stärken.
Beifall der Patrioten
Das Putin sich gegenüber den USA demonstrativ in Pose wirft, entspricht den Selbstwertgefühl der Russen, für die das Bündnis mit Amerika gegen den Terrorismus reinen Zweckcharakter hat und kein Ausdruck gemeinsamer Werte und Ziele ist. Die Russen möchten, dass ihr Land den USA mindestens ebenbürtig ist. Besonderer Beifall für die Rede kam von dem Herausgeber des sowjetnostalgischen Blattes „Sawtra“, Aleksandr Prochanow und dem Nationalisten Sergej Baburin. Das sei das Ende der Epoche, „als Russland um seinen Platz in der Welt gebeten hat“, meint Baburin. Prochonow sieht Russland jetzt im „Zentrum des antiamerikanischen Widerstandes, zusammen mit der arabischen Welt und China.“ Die Rede werde das russische Volk „wecken“, von Putin „eine dritte Amtszeit zu fordern.“
Das auflagenstarke Massenblatt „Komsomolskaja Prawda“ meint, die Reaktionen im Westen seien sehr unterschiedlich gewesen. US-Republikaner wie John McCain hätten die Rede mit „Feindlichkeit“ aufgenommen, die Reaktion der europäischen Beobachter sei dagegen „ausgewogener“ gewesen. Das Blatt zitiert den deutschen Verteidigungsminister, der die Rolle der UNO hervorgehoben habe und erklärt hatte, dass die Nato keine Weltpolizei sein soll.
Eine Sensation ist Putins Rede für die Russen nicht. Sie sind es gewohnt, dass der Kreml-Chef die Interessen Russland mit der zunehmenden wirtschaftlichen Stärke des Landes zunehmend ohne diplomatische Floskeln formuliert.
Der Kreml-nahe Politologe Sergej Karaganow meinte, alles was Putin in München gesagt hat, habe der Kreml-Chef oder „die europäischen oder asiatischen Verbündenten der USA“ schon einmal vorgetragen. Die Rede Putin sei eine „kalte Dusche“, um den „wachsenden Staub“ zu mindern, der im Irak und anderen Ländern „den Geist des kalten Krieges“ erwecke.
Der Vorsitzende des außenpolitischen Komitees des russischen Föderationsrates Michail Margelow meint, es gäbe „keine Rückkehr zum Kalten Krieg.“ . Man solle Russland „nicht etwas zuschrieben, was wir selbst nicht wollen.“ Russland sei „keine zweite Ausgabe der Sowjetunion“. In Russland gäbe es unterschiedliche Meinungen zur Außenpolitik. Putin sei Präsident aller Russen, auch derer, die „nicht ohne Grund“ über das amerikanische Raketenabwehrsystem besorgt sind.
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