28. April 2007

Der bronzene Soldat musste gehen

Schwere Unruhen nach Abtransport des sowjetischen Soldaten-Denkmals

Die estnische Hauptstadt Tallinn hat gestern die zweite Nacht mit Zusammenstössen zwischen Polizei und Demonstranten erlebt, die gegen den Abbau eines sowjetischen Weltkriegs-Denkmals protestieren. Ein 19-jähriger Russe war am Donnerstagabend während der Auseinandersetzungen um den «bronzenen Soldaten» getötet, 44 Demonstranten und 13 Polizisten wurden verletzt. 300 Personen wurden verhaftet. Der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves rief die Bevölkerung gestern in einer Fernsehansprache auf, Ruhe zu bewahren.

Der Präsident lobte den Einsatz der Polizei. Es gab jedoch auch Kritik. Die Zentristische Partei warf der Regierung vor, sie habe sich auf einen Weg der Eskalation begeben. In der Stadt werden in den nächsten Tagen weitere Proteste der russischen Minderheit erwartet.

Angeblich «in Stücke gesägt»

Das Denkmal › ein etwa zwei Meter hoher bronzener Soldat vor einer weissen Wand › wurde 1947 zu Ehren an die Soldaten der Roten Armee errichtet, die bei der Befreiung Tallins von der deutschen Wehrmacht starben. Nahe dem Denkmal befindet sich ein Grab mit 14 Soldaten.

Gestern früh wurde der «bronzene Soldat» abtransportiert. Der russische Fernsehkanal NTW behauptete, er sei «in Stücke zersägt worden». Ein estnischer Regierungssprecher bezeichnete diese Darstellung als «Lüge». Das Denkmal befinde sich auf einem «sicheren Platz». Es soll jetzt auf dem Militärfriedhof von Tallinn aufgestellt werden.

In der Innenstadt von Tallinn kam es gestern zu schweren Plünderungen. Das Innenministeriums erklärte, die Plünderungen seien nicht von den Verteidigern des Denkmals, sondern von jugendlichen Randalierern ausgegangen. In der russischen Minderheit sorgten die Vorfälle für Unruhe. «Wir lebten hier ruhig, aber jetzt habe ich Angst», erklärte eine Russin gegenüber dem russischen TV-Kanal ORT. Ein Drittel der 1,3 Millionen Esten sind Russen. Nach einer Umfrage der Zeitung «Eesti Paevaleht» sind 49 Prozent der Esten gegen eine Versetzung des «bronzenen Soldaten», 37 Prozent sind dafür und 14 sind unentschieden. Viele Esten erinnert das Denkmal an die sowjetische Besatzung. Der russische Aussenminister Sergei Lawrow bezeichnete den Abbau des Denkmals als «Schändung» und drohte mit Konsequenzen für die Beziehungen zwischen Russland und der Nato. Der Vorsitzende des russischen Föderationsrates Sergei Mironow erklärte, unter dem Beifall der Abgeordneten: «Wir haben die Verhöhnung der Toten des Sieges im Zweiten Weltkrieg satt.» Der Föderationsrat forderte die russische Regierung einstimmig auf, die diplomatischen Beziehungen zu Estland abzubrechen.

Die Empörung ist verständlich. Nur leider ist Moskau selbst nicht zimperlich beim Umgang mit seinen Nachbarn. Letztes Jahr mussten mehrere hundert georgische Gastarbeiter für die amerika-freundliche Politik des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili büssen. Sie wurden öffentlichkeitswirksam per Flugzeug abgeschoben. In den Beziehungen zwischen Russland und seinen amerika-freundlichen Nachbarn gilt jetzt offenbar das Prinzip «Auge um Auge».

Aargauer Zeitung

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