3. March 2008

Der Kronprinz darf sich sicher fühlen

Gestern wählte Russland seinen neuen Präsidenten. Die Wahllokale waren noch nicht geschlossen, da feierten Wladimir Putin und Dmitri Medwedew schon gemeinsam. Die Ergebnisse waren erwartungsgemäß: Medwedew liegt vorn.

Moskau - Dmitri Medwedew, Putins Kronprinz, konnte es nicht abwarten. Als einer der ersten betrat der Präsidentschaftskandidat mit seiner Frau Swetlana das Moskauer Wahllokal Nr. 2614, um seine Stimme abzugeben. Medwedew, der aller Voraussicht nach am 7. Mai sein Amt antritt, erklärte, er sei "in guter Stimmung. Der Frühling ist angebrochen. Obwohl es regnet, ist das angenehm."
Nach der Stimmabgabe traf sich Kreml-Chef Putin zu einer Männer-Runde in einem Moskauer Restaurant. Gekommen waren Kronprinz Medwedew, Duma-Sprecher Boris Gryslow, Ministerpräsident Viktor Subkow und der Vorsitzende des Föderationsrates, Sergej Mironow. Alle fünf kennen sich schon lange. Vermutlich ging es bei dem Treffen auch um die Macht-Verteilung nach der Wahl.

KP-Chef Sjuganow erklärte bei der Stimmabgabe, es habe "viele Verstöße" gegeben. Derartiges hörte man von dem Vorsitzenden der Kommunisten auch schon bei den letzten Wahlen, ohne dass dem irgendwelche Konsequenzen folgten. Durch seine Teilnahme hat Sjuganow dem Wahlgang zweifellos Legitimität verliehen.

Wählen empfinden die Russen nicht als Recht, was man sich irgendwann mal erkämpft hat, sondern als einen Akt der Pflichterfüllung gegenüber dem Staat. "Das ist unsere Mentalität", meint ein junger Mann, der ungenannt bleiben möchte. Die 32-jährige Tatjana Jewgenjewna meint, es sei zwar "schon alles vor der Wahl entschieden", aber, "wenn niemand zur Wahl geht, ist das schlecht für Russland. Ein paar Prozente von unseren Stimmen haben vielleicht Einfluss." Plötzlich erscheint ein älterer Herr und meint: "Reden Sie nicht zuviel. Darf ich Sie für ein paar Minuten zur Seite bitten?" Gegenüber ausländischen Korrespondenten ist man misstrauisch.

Eine 23-jährige Buchhalterin hat Medwedew gewählt. Unter Putin sei ihr Einkommen gestiegen, erklärt sie. Mit Schrecken denkt sie an die 90er Jahre zurück. Bei der Finanzkrise 1998 verloren ihre Eltern alles Ersparte. Anfang der 90er Jahre habe man Brot nur gegen Lebensmittelkarten bekommen. Diese Zeiten seien zum Glück vorbei.

Eine junge Hausfrau, die bei einem Internet-Provider gearbeitet hat, geht zügigen Schritts am Wahllokal vorbei. Sie habe schon bei der letzten Wahl "Gegen Alle" gestimmt, erklärt die junge Dame. Da das diesmal nicht möglich sei, gehe sie nicht zur Wahl.

"Südkurier"
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