17. August 2025

Der ostdeutsche Fotograf Andreas Franke bereitet einen Bildband über neue Moskauer Architektur und Infrastruktur vor (Nachdenkseiten)

Ulrich Heyden
Foto: Ulrich Heyden

17. August 2025 um 15:00 Ein Artikel von Ulrich Heyden

Seit über zehn Jahren fährt der in Berlin geborene Fotograf Andreas Franke immer wieder nach Moskau. Die Stadt hat ihn völlig in seinen Bann gezogen, denn sie hat sich in den letzten 15 Jahren stark gewandelt. Überall entstehen neue Wohn- und Geschäftshäuser, Parks werden modernisiert. Seit 2011 wurden 255 Kilometer U-Bahnstrecken und 123 U- und S-Bahnstationen neu gebaut und modernisiert.[1] Franke schätzt die Stadt, weil sie nicht nur schön und imposant, sondern auch ordentlich und sauber ist. Die neue Moskauer Architektur und Infrastruktur will er den Deutschen jetzt mit einem Bildband vorstellen. Damit möchte er auch einen Punkt setzen gegen Unwissen und Russophobie. Franke hat bereits Verhandlungen mit deutschen Verlagen geführt. Parallel sucht er Sponsoren aus der Wirtschaft, um das Buch – falls er keinen Verlag findet – im Eigenverlag herauszubringen. Das Interview führte Ulrich Heyden.

Ulrich Heyden: Was war der Grund, warum Sie in diesem Juli für zehn Tage nach Russland gereist sind?

Andreas Franke: Ich arbeite schon seit einigen Jahren an meinem Buch über Moskauer aktuelle Architektur und Infrastruktur. Zuletzt war ich vor zwei Jahren im Juli und August in Moskau. Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit der Moskauer Deutschen Zeitung. Die wollen einen Beitrag über mein geplantes Buch veröffentlichen. In den nächsten Tagen habe ich noch Gespräche mit Wirtschaftsvereinigungen, die im internationalen Geschäft tätig sind. Ich suche aktuell – bevor das Buch produziert wird – nach Kooperationsmöglichkeiten.

Was ist das genau für ein Buch, welches Sie planen?

Es ist ein Fotobuch. Es geht um neue Metro-Stationen, Parkanlagen, um Wohn- und Geschäftshäuser und Infrastruktur.

Warum glauben Sie, dass das bei Deutschen heutzutage auf Interesse stoßen könnte?

Das werden wir dann ja sehen, ob es auf Interesse stößt.

Moskau hat Sie also so begeistert, dass Sie die Stadt in den letzten zehn Jahren 17-mal besucht haben. Sie haben Menschen kennengelernt und gleichzeitig fotografiert. Sie wurden gefesselt von dieser neuen Welle der Architektur, die sich doch sehr unterscheidet von der früheren, sowjetischen. Aber war doch noch etwas anderes? War da noch etwas Tieferes, was mit Russland zu tun hat?

Dieses Buchprojekt ist eigentlich mehr so ein Beiprodukt. Anfangs war das gar nicht mein Plan, da hatte ich noch andere Pläne. Es hatte noch andere Gründe, warum ich herkam, zum Beispiel der 75. Jahrestag des Kriegsendes. Da hatte ich auch noch Projekte geplant, aber das hat aus bekannten Gründen nicht mehr funktioniert. Vor zwei Jahren dachte ich, ich habe schon so viele Fotos produziert, wenn man da noch mal ein bisschen nachhakt und da strukturiert rangeht an die Sache, könnte ich da ein Buch draus machen.

Und was könnte daran interessant sein, an diesen Fotos? Welche neuen Eindrücke vermitteln Sie den Betrachtern?

Erst mal wird das Buch dazu beitragen, dass Vorurteile abgebaut werden, die in unserem Lande noch herrschen. Man sieht in Moskau hochmoderne U-Bahn-Stationen, wie es sie in ganz Europa nicht gibt. Ich würde sagen, nirgendwo auf der Welt gibt es sowas, eventuell noch in Asien. Wenn wir über Moskau reden, dann reden wir über eine extrem moderne Stadt, sauber, sicher fortschrittlich.

Die meisten Menschen, die Moskau schon mal gesehen und sich mit Moskau beschäftigt haben, die erinnern sich an diese großen U-Bahn-Stationen, die sehr prunkvoll wie Paläste gestaltet sind. Wie sehen denn die neuen Moskauer U-Bahn-Stationen aus? Sind die auch so prunkvoll?

Die sind prunkvoll auf ihre eigene Art und Weise. Die können sich nicht mit den alten messen lassen. Das ist auch gut so. Die neuen Stationen sind auf eine neue Art und Weise prunkvoll. Manche sind recht farbenfroh gestaltet, andere sind sehr hochwertig mit Edelstahl, gebogenen LED-Leuchten und polierten Marmorböden ausgestattet. Die Architektur ist sehr modern.

Als ich vor zwei Jahren in Moskau war, war ich mit Sicherheit der einzige westliche Fotograf, der die Stationen dokumentiert hat, die erst zwei, drei Wochen zuvor eröffnet wurden.

Vor zwei Jahren wurden dann auf dem Fluss Moskwa das erste Mal Elektro-Passagierschiffe eingesetzt. Das sind Schiffe, die mit einem Elektromotor angetrieben werden. Sie sind Teil des öffentlichen Transportwesens und bieten jeweils etwa 60 Passagieren Platz.

Noch mal zurück zu den U-Bahn-Stationen. Zu Sowjetzeiten waren die ja oft geprägt von politischen Themen, Arbeitern, Soldaten, Schlachten. Auch die Verbindung zur Ukraine wurde dargestellt. Gibt es bei den neuen U-Bahn-Stationen noch politische Statements? Oder gibt es Bezüge zu nahe gelegenen Objekten wie etwa einer Sport-Arena?

Ich erinnere mich jetzt an eine Station, bei der es tatsächlich um Sport geht. Die Station ZSKA. Da gibt es auch entsprechende Skulpturen. Ansonsten ist mir nichts aufgefallen, was in eine politische Richtung deutet. Am Flughafen Wnukowo wurde eine neue U-Bahn-Station eröffnet, wo an den Decken Flugzeugmodelle zu sehen sind.

Die Gebäude, die Sie fotografiert haben, das sind Geschäftshäuser, Einkaufzentren und Bürohäuser? Was ist das Besondere an diesen Häusern? Was hat Sie da fasziniert?

Das sind überwiegend Wohnhäuser. Die sind ganz unterschiedlich in ihrer Gestaltung. Teilweise ziemlich abgefahren oder auch futuristisch, teilweise gradlinig. Auf dem offiziellen Kanal der Moskauer Stadtverwaltung wird ständig über das Baugeschehen berichtet. Ich merke mir die für mich interessanten Projekte und steuere sie dann, wenn ich in Moskau bin, gezielt an. Vor zwei Jahren habe ich auch neue Krankenhäuser und Kindergärten fotografiert.

Wenn Sie diese Fotos Ihren Freunden und Bekannten in Deutschland zeigen, wie sind da die Reaktionen? Haben Sie diese Reaktionen ermutigt, dieses Buch herauszugeben?

Ja, definitiv, denn die Leute sind immer wieder überrascht, wie modern und ordentlich es in Moskau aussieht. Am Anfang haben Sie mich gefragt, ob ich irgendwelchen Dreck oder Müll rausretuschiere. Und ich habe gesagt, nein, der ist einfach nicht vorhanden. Wenn man hierherkommt, sieht man, dass es noch einen anderen Respekt gibt zu dem, was man früher in gewissen Teilen Deutschlands einmal Volkseigentum nannte. Ich weiß nicht, ob es dafür heute überhaupt noch einen Begriff gibt. Öffentliches Eigentum wird in Moskau anders behandelt.

Es gibt keine Graffitis?

Es ist so selten, dass es schon auffällt, wenn etwas beklebt oder besprüht ist. Es bleibt auch nicht lange.

Dieses Jahr habe ich übrigens das erste Mal Yandex-Roboter gesehen. Yandex ist ein russisches Dienstleistungsunternehmen, das in zahlreichen Bereichen tätig ist. Es hat eine Internet-Suchmaschine, Roboter, die Ware ausliefern, Taxis und einen Warenverkauf über das Internet.

Die Yandex-Roboter sind 60 bis 70 Zentimeter lang, ich würde sagen einen halben Meter hoch und 40 Zentimeter breit. Die fahren völlig autonom durch die Stadt. Die haben sechs Räder, an jeder Seite drei. Die liefern Essen aus und ich glaube auch Medizin.

Das sind Boxen, die man aufmachen und die Ware entnehmen kann?

Ja. Die fahren auf den Fußgängerwegen, neben oder zwischen den Leuten, und wenn sie an eine rote Fußgängerampel geraten, dann bleiben sie stehen und warten zusammen mit den Menschen, bis die Ampel grün anzeigt. Dann fahren sie weiter.

Behindern diese Roboter den Fußgängerfluss?

Da, wo ich die gesehen habe, haben sie den Fußgängerfluss nicht behindert. Aber es wird schon solche Situationen geben, wo sie behindern. Im Stadtzentrum habe ich die Roboter noch nicht gesehen. Dort sind für die Roboter nun wirklich zu viele Menschen unterwegs.

Ich habe mich einem Roboter einmal direkt in den Weg gestellt, um zu testen, wie die Technologie auf unerwartete Hindernisse reagiert. Wenn der Roboter sieht, dass sich irgendetwas auf ihn zubewegt, wird er langsamer bis zum vollständigen Stopp.

Ich glaube, in Deutschland gibt es sowas nicht. Das hängt wohl damit zusammen, dass es in Deutschland und der EU keine eigene Technologie gibt. Wir nutzen, glaube ich, die Google-Technologie, also amerikanische Software, wo wir auch noch für Lizenzgebühren bezahlen. Mit dem Unternehmen Yandex gibt es in Russland einen eigenständigen Entwickler für solche Roboter-Software.

Es gibt ja für Touristen aus Deutschland in Russland keine Möglichkeit, mit einer westlichen Kreditkarte zu bezahlen. Wie haben Sie das gemacht?

Ich habe mir schon vor zwei Jahren eine russische Kreditkarte beschafft. Die hat der Kundenbetreuer mir sogar direkt ins Hotel in St. Petersburg gebracht. Da konnte ich mir sogar noch ein Zeitfenster für die Lieferung aussuchen. Das macht die Sache ungemein einfach. Man bekommt teilweise Rückerstattungen, je nachdem, was man kauft. Eine russische Kreditkarte ist der Zahlungsstruktur im Land angepasst. Mit dieser Kreditkarte kann man auch im Ausland buchen, zum Beispiel einen Flug, ein Hotel oder ein Konzert-Ticket für Moskau.

Ihre Reisevorbereitungen haben Sie in Deutschland fast wie ein russischer Inländer abgewickelt?

Ja. Es gibt russische Banken, die bieten im Internet ihre Dienste an. Bei der Reisevorbereitung kann man also in Deutschland schon mal eine Kopie vom Pass und vom Visum hochladen, und dann hat man schon mal eine Art Kundenverhältnis zustande gebracht. Man bekommt eine Kontonummer. Wenn man dann nach Russland reist, kommt jemand von der Bank ins Hotel und überprüft nur noch die Person.

Die Russen haben also keine Angst vor Bürgern der EU. Sie bedienen die Ausländer wie ihre eigenen Bürger mit Dienstleitungen?

Ja.

Was war Ihr bisher schönstes Erlebnis in Moskau?

Ich war gestern auf dem WDNCh-Ausstellungsgelände.

Früher stellten die Sowjetrepubliken auf diesem Gelände die Leistungen ihrer Volkswirtschaften vor. Und heute?

Heute ist es immer noch so, dass diese ländertypischen Pavillons existieren. Da trifft man auch überwiegend die landestypischen Gesichter.

Also Usbekistan, Kasachstan, Armenien, Aserbaidschan …

Ja. In den Pavillons werden überwiegend in den Ländern produzierte Gegenstände verkauft. Meistens wird Bekleidung angeboten. Im Pavillon von Weißrussland wurden auch sehr viele Lebensmittel angeboten. Die Pavillons haben auch jeweils ein Restaurant, sodass man die ländertypischen Speisen ausprobieren kann.

Außerdem gibt es große Gebäude, die in den letzten Jahren gebaut wurden, in denen die Atom-Nutzung und die Erforschung des Weltraums dargestellt wird.

Wenn man am Wochenende hingeht, ist richtig Stimmung da. Das läuft alles vernünftig dort ab. Es gab auch Livemusik. Man sieht Familien mit Kindern. Was mir positiv auffiel, war, dass eine entspannte Atmosphäre herrscht. Es sind Tausende Menschen auf teilweise engem Raum zusammen, aber unter den Leuten kommt es nicht zu Konflikten. Es ist auch niemand darunter, der sich besonders hervortun muss. Es kommt also niemand, der da abends seine große Boom-Box aufstellt. Es finden sich auch keine Gruppen zusammen, die da Alkohol-Gelage abhalten.

Waren Sie auch auf einem Konzert?

Ja, ich habe den Musiker Konstantin Nikolski gehört. Der ist schon seit 40 Jahren im Geschäft. Da gab es Tische, an denen man sitzen konnte. Man hat vorher einen Stuhl gebucht an einem gewissen Tisch. Ich saß mit drei anderen Leuten zusammen. Die waren sehr zuvorkommend, als sie hörten, dass ich aus Deutschland komme. Ich kann auch nicht im Geringsten eine Abneigung feststellen, im Gegenteil. Meist freut es die Leute, wenn sie noch Ausländer treffen, die aus der EU kommen oder speziell auch aus Deutschland.

Warum ist das so?

Ich glaube, das sind noch die guten Erfahrungen aus der Vergangenheit. Vor zwei Jahren kam ich zufällig in eine Bar. Da wollte man gleich mit mir ins Gespräch kommen. Ich habe gesagt, ich komme aus Deutschland, ich verstehe nicht so viel. Dann haben die Leute versucht, mit mir auf Englisch zu sprechen. Dann haben sie gefragt, wo ich herkomme, aus dem Osten oder aus dem Westen? Ich habe gesagt, dass ich aus Ostdeutschland komme. Da war die Stimmung gleich total ausgelassen. Ich denke, das sind noch alte Erfahrungen, welche die Leute noch in der DDR gesammelt haben.

Also Russen, die in der DDR gedient oder Freunde in Ostdeutschland haben?

Ja.

Noch mal zu Ihrem Fotobuch über Moskau. Sie suchen hier in Moskau Unterstützer für dieses Projekt?

Ich suche nach einer Möglichkeit, das Buchprojekt ohne einen Verlag umzusetzen, weil das mit den Verlagen nicht so einfach ist. Ich hatte schon von zwei Verlagsleitern in Deutschland Zusagen, die das dann aber wieder zurückgezogen haben. Und wenn es über einen Verlag läuft, habe ich bei der Auswahl meiner Motive auch nicht das letzte Wort. Wenn ich das Buch selbst produziere, ist mir geholfen, wenn ich vorher schon ein paar Abnahmegarantien habe – wenn ich zum Beispiel weiß, dass sich 300 oder 400 Leute für das Buch interessieren. Dann hilft mir das bei der Kalkulation. Ich werde das Buch im Offsetdruck und nicht im Digitaldruck produzieren lassen, weil das qualitativ ein deutlicher Unterschied ist. Ich plane, 1.000 Bücher drucken zu lassen.

Eine Firma könnte das Buch auch sponsern und es seinen Kunden dann als Geschenk überreichen?

Genau. Das Buch wird ungefähr 200 Seiten haben, mit einem Foto pro Seite. Es hat die Größe 20 mal 20 Zentimeter, das heißt, es ist relativ klein. Wie schon mein letztes Buch über die ehemaligen sowjetischen Kasernen in Wünsdorf soll es mit deutschem und russischem Text erscheinen.

Was war das für ein Buch, welches Sie vor elf Jahren herausgebracht haben? Hatten Sie Erfolg damit? Und wie kommt es, dass Sie sich immer wieder mit russischen Themen beschäftigen?

Das Buch über die sowjetische Garnison in Wünsdorf wurde anlässlich des 20. Jahrestages des Abzuges der russischen Truppen aus Deutschland veröffentlicht und ein Jahr später für den Deutschen Fotobuchpreis nominiert. Es fand breite öffentliche Beachtung und Anerkennung. Die Pressestimmen waren zahlreich und ausnahmslos positiv. Begleitend zum Buch gab es eine mehrere Monate dauernde Fotoausstellung auf dem Gelände der Staatskanzlei Potsdam.

Darüber, warum ich mich wiederholt mit russischen Themen beschäftige, habe ich bisher nicht nachgedacht. Vermutlich hängt das mit meinen zahlreichen positiven Erfahrungen in Russland zusammen.

Andreas Franke, ich bedanke mich für das Gespräch!

 

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veröffentlicht in: Nachdenkseiten

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