Die Macht der Energie
Der neue Energie-Streit zwischen Moskau und Minsk zeigt, dass Russland auf unbedingter Vertragstreue besteht und auch gegenüber armen Nachbarn hart bleibt. Die Forderung von Gazprom ist zwar berechtigt, denn Weißrussland bezahlte die Gaslieferungen des ersten Quartals nicht zu den aktuellen, sondern zu Vorjahrespreisen. Doch der scharfe Ton beider Kontrahenten erstaunt.
Gegenüber dem slawischen Bruderstaat gab sich Präsident Dmitri Medwedew wenig brüderlich und verspottete das weißrussische Ansinnen, die Gas-Schulden mit Kraftfahrzeugen und anderen Waren zu bezahlen: Russland werde „Piroggen, Speiseöl und Käse“ nicht als Zahlungsmittel akzeptieren, höhnte er. Merkwürdig. Warum führt Medwedew den Amtskollegen in Minsk so vor? Hofft Moskau etwa auf einen Sturz von Alexander Lukaschenko, dessen wirtschaftlich stark angeschlagener Staat nun auch noch sein Privileg verloren hat, zollfrei Öl aus Russland zu beziehen?
Der Kreml weiß: Jeder der zahlreichen „Gas-Kriege“ führt zu einem Image-Verlust in Europa. Doch mittelfristig sieht man sich auf der Erfolgsspur. Denn Osteuropa ist von russischen Energie-Lieferungen abhängig. Und den osteuropäischen Ländern, die weder der EU noch der Nato angehören, bleibt deshalb gar nichts anderes übrig, als die russischen Preise zu akzeptieren. Dass Moskau letztlich am längeren Hebel sitzt, zeigte sich in der Ukraine: Nach dem fünf Jahre dauernden „orangefarbenen“ Experiment wurde dort eine Russland-freundliche Regierung gewählt. Und Moskau machte sofort Nägel mit Köpfen: Die Ukraine bekam 30 Prozent Preisnachlass für russisches Gas. Im Gegenzug darf Russland die Flottenbasis in Sewastopol 25 Jahre lang nutzen. Dieser Fall zeigt: Russland kann die Ausdehnung der Nato nicht stoppen, aber doch bremsen.
Alle Versuche der EU zur Lockerung des Moskauer Energie-Monopols, etwa durch die Öffnung des russischen Pipeline-Netzes für ausländische Investoren, sind bisher gescheitert. Die Nabucco-Pipeline, mit der Brüssel die russische Vormachtstellung aushebeln und Gas aus Zentralasien über eine südliche Route leiten will, ist immer noch im Planungsstadium. Und Moskau denkt nicht daran, auch nur einen Deut seines Einflusses aufzugeben. Umgekehrt zeigt der Bau der nicht nur in Polen umstrittenen Ostsee-Pipeline, dass Deutschland die russischen Interessen in Osteuropa faktisch akzeptiert. Durch den aktuellen Streit bekommt das ungute Geühl neue Nahrung. Denn dass die wirtschaftlich Starken in Europa den Ton angeben, schadet der Idee einer Union gleichberechtigter Staaten.
"Saarbrücker Zeitung"