Kommt Faschismus „aus dem Volk“? Ist er so etwas wie eine „natürliche“ Entwicklung?
Ein Blick in die deutsche Geschichte zeigt, dass die deutschen Industriellen eine Schlüsselrolle beim Aufstieg des Faschismus spielten. Am 20. Februar 1933 traf sich Adolf Hitler im Geheimen mit 27 Industriellen. Dabei sprachen sie über die Finanzierung des Wahlkampfes der NSDAP bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933, bei der die NSDAP einen Stimmenzuwachs von 10 Prozent erreichte und mit 43,9 Prozent stärkste Partei wurde.
Die Nazis nutzten für ihren Aufstieg reaktionäre Traditionen, wie Untertanengeist, Antisemitismus, Russophobie und Militarismus.
Im heutigen Russland werden diese deutschen Traditionen leider nicht thematisiert. Russische Politiker machen für den Sieg des Faschismus in Deutschland vor allem den Friedensvertrag von Versailles verantwortlich, der Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg „demütigte“ und zu umfangreichen Reparationen und Gebietsabtretungen verpflichtete.
Über die Förderer des deutschen Faschismus spricht in Russland auch heute noch kaum jemand. Fast vergessen scheint, dass die deutschen Großindustriellen beim Machtantritt der Nazis eine Schlüsselrolle spielten. Beim Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg 1945 bis 1949 standen 42 deutsche Industrielle und Manager vor dem Gericht, darunter Vertreter der Konzerne Krupp und Flick und I.G. Farben.
Meiner Meinung nach hat jeder Deutsche, der an den Verbrechen des Hitler-Regimes beteiligt war, Schuld auf sich geladen. Doch die Schuld derjenigen, welche die Nazis und ihren Propagandaapparat finanzierten, wiegt meiner Meinung nach besonders schwer.
Haben die Deutschen heute noch Schuld? Ich meine Nein. Aus der deutschen Geschichte sollten wir aber eine zwingende Lehre ziehen. Damit Faschismus sich nicht wiederholt, muss man wissen, warum er entstand, wie dieses System funktionierte und welche Verbrechen begangen wurden.
Ich würde mich freuen, wenn es demnächst mal eine gute Video-Dokumentation über diejenigen zu sehen gibt, die Hitler an die Macht brachten. Dazu zählte 1933 auch der rechtskonservative Reichskanzler Paul von Hindenburg, der Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannte.
In der Ukraine, die von der Bundesregierung massiv unterstützt wird, sind es heute wieder Großunternehmer, welche Rechtsradikale unterstützen. Der Oligarch Igor Kolomoiski finanzierte die Gründung des Asow-Bataillons, das in der Ost-Ukraine gegen die abtrünnigen „Volksrepubliken“ kämpft. Der ukrainische Innenminister und Geschäftsmann Arsen Awakow unterstützte die Gründung einer Nazionalnaja Druschina (Nationalen Bürgerwehr), deren Mitglieder am 7. Juni 2018 in einem Park in Kiew eine Roma-Siedlung zerstörten und mit martialischen Märschen in Kiew ihre Macht demonstrieren.
Die AfD gibt sich als Partei „des Volkes“ und der „einfachen Leute“, ähnlich wie damals die NSDAP. Eine durch und durch faschistische Partei ist die AfD noch nicht. Und auch die Ukraine ist noch kein durchgängig faschistischer Staat wie Hitler-Deutschland.
Doch wenn wir nicht wachsam sind, kann sich der Faschismus wieder ausbreiten, wie damals.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Hannes Heer, Killing Fields. Die Wehrmacht und der Holocaust, in: Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg, 1995, S. 74
(2) Martin Cüppers, Wegbereiter der Shoa, Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer SS und die Judenvernichtung 1939-1945, S. 271
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