Dutzende Bergleute werden vermisst
Die Retter im sibirischen Bergwerk Raspadskaja sollen 60 verschüttete Kumpel retten. Doch sie haben drei Feinde: die knappe Zeit, das Methangas und den steigenden Wasserspiegel.
Von SZ-Mitarbeiter Ulrich Heyden
Moskau. Die Situation in dem Unglückskraftwerk Raspadskaja, in dem es in der Nacht auf Sonntag zu zwei Methangas-Explosionen kam, ist unübersichtlich. Zur Zeit erkunden Rettungsmannschaften die Situation im Schacht, der 3000 Kilometer östlich von Moskau in der Kusnezk-Region liegt. Die Retter kämpfen gegen die Zeit, denn der Wasserspiegel steigt. Nach Meinung von Russlands Notstandsminister Sergej Schojgu bleiben wegen des steigenden Wassers nur noch zwei Tage, um 13 Kumpel zu retten, die man an zwei Stellen in den Stollen vermutet. Insgesamt sind noch 60 Kumpel unter Tage eingeschlossen.
59 verletzte Bergleute wurden seit dem Unglück in Krankenhäuser der Region eingeliefert. Sechs Schwerverletzte wurden mit einem Flugzeug nach Moskau überführt, wo sie in Spezialkliniken weiter behandelt werden. Russlands Präsident Dmitri Medwedew drückte gestern den Angehörigen der 17 Retter, die bei der zweiten Explosion in der Nacht auf Sonntag getötet wurden, sein Beileid aus. Medwedew erklärte, die Situation in dem Bergwerk sei „außerordentlich schwer“. Alle Rettungsarbeiten, die unter den gegebenen Umständen möglich seien, würden jetzt ausgeführt. Medwedew wies die russische Generalstaatsanwaltschaft an, die Unglücksursache herauszufinden. Bisher ist nicht klar, wodurch das Unglück ausgelöst wurde. Die Methangas-Konzentrationen in den Schächten sei normal gewesen, behauptete der stellvertretende Leiter des Bergwerkes, Wladimir Gorjatschkin.
Russische und ukrainische Bergwerke gelten als die gefährlichsten der Welt. Im März 2007 waren in einem Bergwerk in der Region Kusnezk bei einem Unglück unter Tage 110 Kumpel gestorben. Nach dem Unglück wurden Ermittlungen wegen fahrlässiger Handhabung der Sicherheitsvorschriften eingeleitet.
Die Lage in dem Unglücksschacht Raspadskaja ist so schwierig, weil die Methangaskonzentration im Schacht immer noch sehr hoch ist und die vermissten Bergleute auf Stollen mit einer Gesamtlänge von 370 Kilometern gesucht werden müssen. Die Luftversorgung wurde bei einer zweiten Explosion zerstört. Die Sauerstoffzufuhr werde aber jetzt nur langsam wieder angefahren, denn eine schnelle Erhöhung des Sauerstoffs könne zu neuen Methangasexplosionen führen, erklärte Russlands Notstandsminister Sergej Schojgu. Die erste Explosion geschah am Samstag in 490 Meter Tiefe. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 359 Kumpel unter Tage. 276 von ihnen konnten gerettet werden. Um die Eingeschlossenen nach oben zu holen, machte sich ein 17 Mann starker Rettungstrupp auf den Weg, der jedoch bei einer zweiten Explosion in der Nacht auf Sonntag verschüttet wurde. Die Retter konnten nur noch tot geborgen werden. „Aus allen Schächten schossen Flammen“, erklärte ein Vertreter der Stadtverwaltung, der die zweite Explosion vor Ort miterlebte. Ein Gebäude des Bergwerks ist einsturzgefährdet.
Der Bergarbeiter Wladimir Goloschapow überlebte das Unglück wie durch ein Wunder. Als Einziger in seinem Abschnitt gelang es ihm, sich allein an den Ausgang des Schachts zu retten. „Einige Augenblicke war ich verzweifelt und hatte mich nicht unter Kontrolle,“ erzählte der Kumpel. Dass er dann schließlich sein Sauerstoffgerät einschaltete, habe ihm das Leben gerettet.
Der Direktor des Bergwerks, Gennadi Kosowoj, versprach den Angehörigen der Toten Zuwendungen in Höhe von insgesamt 50 000 Euro.
"Saarbrücker Zeitung"