28. October 2010

Ein gedämpftes Lachen im Chodorkowski-Prozess

ulrich heyden moskau (SN). „Es ist bewiesen, dass ich Yukos geleitet habe und sich die Mitarbeiter mir untergeordnet haben“, sagte Russlands berühmtester Häftling, Michail Chodorkowski, in sarkastischem Ton. Im Saal des Moskauer Chamownitscheski-Gerichts war gedämpftes Lachen zu hören. Der Ex-Chef des Ölkonzerns Yukos – schon 2005 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt – steht seit eineinhalb Jahren erneut vor Gericht, diesmal wegen angeblichen Diebstahls von 218 Millionen Tonnen Öl.

Kritiker behaupten, der Kreml wolle Chodorkowski und seinen Geschäftspartner Platon Lebedew möglichst lang hinter Gitter bringen.Seit vergangener Woche verfolgen viele Journalisten und Beobachter aus dem In- und Ausland den zweiten Prozess. Ende des Jahres wird das Urteil erwartet.

Chodorkowski hatte sich in seinem Schlussplädoyer auf die offensichtlichen Ungereimtheiten in der Anklage eingeschossen. Wie könne es sein, meinte der Ex-Yukos-Chef, dass er 218 Mill. Tonnen Öl – also faktisch das gesamte zwischen 1998 und 2003 von Yukos geförderte schwarze Gold – direkt vom Bohrloch weg gestohlen habe? Wo doch der Ölkonzern gleichzeitig hohe Einnahmen hatte und dafür nicht nur Steuern, sondern auch die gigantische Steuernachzahlung von 30 Milliarden Dollar überwies.

Er sei „einverstanden mit den von der Staatsanwaltschaft vorgetragenen Fakten, aber diese als Anschuldigung gegen mich vorzutragen, kann man wohl nur auf Bestellung tun“, erklärte Chodorkowski. Der 47-Jährige wirkt trotz jahrelanger Haft geistig noch äußerst fit. Mit „auf Bestellung“ meinte er, dass das Verfahren gegen ihn politisch motiviert und quasi vom Kreml angeordnet sei.

Im nun zweiten Prozess fordert der Staatsanwalt je 14 Jahre Arbeitslager für Chodorkowski und Lebedew. Dabei solle die seit 2003 bereits verbüßte Haftzeit angerechnet werden, sodass beide Ex-Unternehmer 2017 freikämen.

Nach Meinung von Kreml-Kritikern wurde Chodorkowski 2003 verhaftet, weil sich der damals reichste Mann Russlands nicht an den inoffiziellen Kodex von Präsident Putin hielt. Dieser sah vor, dass Unternehmer ihre Geschäfte machen können, sich aber aus der Politik heraushalten sollen. Der Yukos-Chef jedoch ging eigene Wege. Auf einer Versammlung von Unternehmern im Kreml kritisierte er die Korruption unter russischen Beamten. Außerdem unterstützte er eine liberale Oppositionspartei und auch die Kommunisten. Zu guter Letzt verhandelte der Yukos-Chef auch noch mit US-Ölkonzernen über eine Beteiligung bei Yukos.

"Salzburger Nachrichten"

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