15. April 2013

Ein kalter Krieg mit Namenslisten

Sanktionen. Konflikt bedroht den einst hoffnungsvollen „Neustart“ der Großmächte.

Ulrich heyden Moskau (SN). Heute, Montag, wird Barack Obamas Sicherheitsberater, Thomas Donilon, zu Gesprächen in Moskau erwartet. Das Klima könnte schlechter nicht sein, nachdem die US-Administration am Freitagabend die sogenannte Magnitski-Liste veröffentlicht hat, auf der die Namen von 18 Russen stehen, die nicht mehr in die USA einreisen dürfen.

Von dem 2009 von Moskau und Washington verkündeten „Neustart“ der bilateralen Beziehungen ist nichts mehr übrig. Wladimir Putin beschuldigt die US-Administration, sich in die inneren Angelegenheiten Russlands einzumischen, indem sie die Opposition finanziere. Nachdem der US-Kongress im Dezember die Magnitski-Liste beschlossen hatte, hatte Moskau mit einem Verbot der Adoption russischer Kinder durch amerikanische Eltern reagiert.

Mit der Magnitski-Liste reagiert Washington auf den Tod des russischen Juristen Sergej Magnitski, der in Moskau für die britische Investmentfirma Hermitage Capital arbeitete und 2009 – offenbar wegen unzureichender ärztlicher Behandlung – im Moskauer Butyrka-Untersuchungsgefängnis starb. Die 16 in der Liste namentlich genannten Beamten der russischen Justiz- und Steuerbehörden sollen für den Tod des Juristen verantwortlich sein. Dass es der US-Administration aber um mehr als den Fall Magnitski geht, zeigen zwei weitere Namen auf der Liste. Es handelt sich um Tschetschenen, die zwei Morde ausgeführt haben sollen – an dem Chefredakteur der russischen Ausgabe von „Forbes“, Paul Chlebnikow, und an Umar Israilow, dem nach Wien geflüchteten ehemaligen Leibwächter des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow. Israilow hatte gegen seinen ehemaligen Chef, Kadyrow, Foltervorwürfe erhoben. Mit der Magnitski-Liste will die US-Administration also Personen bestrafen, die sich der Verletzung von Menschenrechten schuldig gemacht haben.

Putin-Sprecher Lukaschewitsch warf den USA einen „Krieg der Namenslisten“ vor, der die bilateralen Beziehungen „schwer beschädigt“ habe. Ursprünglich war erwartet worden, dass auf der Magnitski-Liste die Namen von 280 Personen stehen, darunter auch der Name des russischen Generalstaatsanwalts, Juri Tschaika, sowie die Namen von Putin-Beratern. Doch diese Personen scheinen weder auf der veröffentlichten noch auf einer zweiten nicht öffentlichen Magnitski-Liste zu stehen. Wie bekannt wurde, steht jedoch der Name des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, wegen Folter in der Kritik russischer Menschenrechtler, auf der nicht öffentlichen Magnitski-Liste. Kadyrow erklärte, ihm sei es „egal“, ein kürzlich gekauftes Flugticket in die USA habe er schon zurückgegeben.

Das russische Außenministerium veröffentlichte am Wochenende ebenfalls eine Liste mit den Namen von 18 US-Beamten, die Einreiseverbot in Russland erhalten. Bei den betroffenen US-Beamten handelt es sich um vier Personen, die für Folter im Lager Guantánamo verantwortlich sein sollen, wie der Leiter der amerikanischen Präsidialverwaltung und die ehemaligen Leiter der Militärbasis Guantánamo. Außerdem stehen auf der russischen Liste die Namen von 14 Richtern und anderen Justizbeamten, die unter anderem für die Verurteilung des russischen Waffenhändlers Viktor Bout verantwortlich sein sollen.

veröffentlicht in: Salzburger Nachrichten

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