22. February 2012

Ein Milliardär will Russland erneuern

Am 4. März will Michail Prochorow gegen Wladimir Putin bei der Präsidentenwahl antreten.
Von Ulrich Heyden, MZ
Moskau. In der Moskauer Mittelschule Nr. 59 zeigt Michail Prochorow im Trainingsanzug ein paar Übungen fürs Basketball-Training. Der asketisch wirkende Milliardär geht in die Liegestütze und wirft sich mit einem Arm einen Tennisball über den Rücken. Mit dem anderen Arm, den er blitzartig hochzieht, fängt er den Ball auf. Die Jungens, die bei der Trainings-Stunde des Zwei-Meter-Mannes dabei sind, sind beeindruckt. Auch für die russischen Fernsehzuschauer sind das ungewohnte Bilder. Noch nie gab sich ein russischer Unternehmer so volksnah.
Patriotischer Unternehmer Solche Fernseh-Bilder hat der Wahlkämpfer Prochorow aber auch bitter nötig. Denn der Chef der Onexim-Investmentgesellschaft wirkt doch recht kühl. Der Habitus des scharf rechnenden Unternehmers lässt sich nicht so einfach abstreifen. Präsidentschaftskandidat Prochorow machte sein Geld seit 1992 mit Banken und Investmentgesellschaften. Von 2001 bis 2008 war er Direktor der weltgrößten Nickel-Hütte im Norden Russlands. Heute ist er 18Milliarden Dollar schwer. Wenn doch wenigstens eine Frau an seiner Seite wäre, werden sich wohl die Babuschkas sagen. Aber der Milliardär ist Junggeselle, sperrt sich aber nicht zu heiraten, „wenn das dem Land nütze“, wie er letztes Jahr listig erklärte. Prochorow präsentiert sich als patriotischer Unternehmer. Russland müsse weg von seiner einseitigen Orientierung auf den Rohstoff-Export und seine Wirtschaft modernisieren. 2010 gab der Unternehmer die Entwicklung und Produktion des ersten russischen PKW mit Hybrid-Motor bekannt, das sogenannte Jo-Mobil. Eine Auto-Fabrik in St. Petersburg ist bereits im Bau. Prochorows erster Schritt in die Politik scheiterte. Im September 2011 überwarf sich der Unternehmer mit der Kreml-Administration über Personalfragen in der gerade erst gegründeten rechtsliberalen Partei „Rechte Sache“.
Prochorow zog sich aus der „Rechten Sache“ zurück, startete aber zwei Tage nach der ersten Moskauer Großdemonstration „für ehrliche Wahlen“ im Dezember 2011 einen zweiten Anlauf und kündigte seine Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen an. Viele Beobachter glauben, Prochorow versuche im Auftrag des Kreml die Stimmen der liberalen Mittelschicht zu gewinnen. Doch der Milliardär bestreitet eine Absprache mit dem Kreml und zeigte sich bereits zweimal demonstrativ als Teilnehmer auf den Großkundgebungen der Protestbewegung „für ehrliche Wahlen“. Beobachter halten es für möglich, dass er dem nächsten Regierungskabinett angehört. Denn sein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen ist so gut wie ausgeschlossen. In den Städten auf Platz zwei Wie das Wziom-Meinungsforschungs-Institut ermittelte, kommt der Prochorow bei den Wahlen am 4.März in den Großstädten Moskau und St. Petersburg zwar mit 16 bzw. 17 Prozent nach Putin auf Platz zwei, doch im Landesdurchschnitt bekommt der Milliardär nur 8,7 Prozent. In seinem Wahlkampfprogramm hat der Unternehmer radikale Wirtschaftsreformen angekündigt. Durch Korruption erlangtes Eigentum soll nach einem Gerichtsbeschluss beschlagnahmt werden können. Den Gasprom-Konzern will Prochorow in konkurrierende Unternehmen aufspalten. Seinen 2010 vorgebrachten Vorschlag zur Einführung einer 60-Stunde-Woche hat er im Wahlkampf nicht wieder aufgegriffen. Der Milliardär hat sich klar gegen eine Überprüfung der umstrittenen Privatisierung der Staatsbetriebe in den 1990er Jahren ausgesprochen. Mit dieser Position werde es Prochorow leicht fallen, die Mittelschicht für sich zu gewinnen, meinen Beobachter. Präsidentschaftskandidat Putin dagegen hat ein Zugeständnis an die Oligarchen-kritische Stimmung im Volk gemacht und die Einführung einer Luxus-Steuer für große Immobilien angekündigt. veröffentlicht in: Mittelbayrische Zeitung
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