Waren die Pro-Kiew-Demonstranten wirklich so friedlich und unbewaffnet, wie immer behauptet wird? Bild: Napaki.Livejournal.com
Die Menschen in Odessa glauben nicht an das einfache Schwarz-Weiß-Bild der Kiewer Medien, wonach am 2. Mai in Odessa "ukrainische Patrioten gegen aggressive russischen Separatisten kämpften", schreibt der Kreml-kritische Kommersant. Die Menschen in Odessa seien der Meinung, dass es bei der Straßenschlacht zwischen Maidan-Anhängern und Regierungsgegnern "Provokateure auf beiden Seiten" gegeben hat. Die Provokateure hätten die Maidan-Anhänger und die Anti-Kiew-Demonstranten gegeneinander aufhetzen wollen, schreibt das Blatt. Was das politische Ziel der Provokateure war, schreibt das Blatt nicht.
Wenn es dieses Ziel gab, den Hass der Maidan-Anhänger und der zahlreichen angereisten Mitglieder des Rechten Sektors zu steigern, so wurde das erreicht. Auf Videos sieht man, wie Hunderte mit Knüppeln bewaffnete Maidan-Anhänger zum Zeltlager der Regierungsgegner vor dem Gewerkschaftshaus geradezu rennen und es innerhalb von Minuten zertrümmern und anzünden. Die Menschen vom Zeltlager flüchteten sich zusammen mit verängstigten Spaziergängern ins Gewerkschaftshaus.
Bild von der Facebook-Seite des Rechten Sektors: "Odessa Mama heizt ein." Der Kartoffelkäfer ist in den Farben des prorussischen Georgi-Bändchens.
Doch der Hass forderte noch mehr Opfer. Die Militanten vom Rechten Sektor begannen die Fenster und Türen des Gebäudes mit Molotow-Cocktails zu bewerfen. Die Eingeschlossen sprangen in ihrer Verzweiflung aus den oberen Etagen. Unten angekommen werden sie von Männern des Rechten Sektors mit Knüppeln bearbeitet.
Bild: Napaki.Livejournal.com
Die russischen Fernsehkanäle Pervi und Russia Today stellen die These auf, dass die Maidan-Anhänger und der Rechte Sektor zu Gewalttaten gegen die Regierungsgegner angestachelt werden sollten. Doch was könnte das Ziel so einer Provokation gewesen sein, die angeblich von einem Teil der Polizei gedeckt wurde? Sollte die Protestbewegung gegen Kiew in einem möglichst gewalttätigen Licht stehen, um ihre Ausbreitung in Odessa ein für alle Mal zu stoppen? Gab es in Kreisen der Kiewer Regierung so ein Ziel?
Heute tauchten im Internet neue dramatische Videos auf, die zeigen, dass Anhänger des Rechten Sektors durch einen Seiteneingang in das Gewerkschaftshaus eindrangen, im Innern des Gebäudes Türen aufbrachen und offenbar Jagd auf Menschen machten. Im Gebäude schreit eine Frau - im Schwitzkasten eines Angreifers - "Kinder, tut es nicht."
Die Anhänger des Rechten Sektor gelangten durch den Seiteneingang möglicherweise bis in obere Etagen des Gebäudes. Denn dort wurden aus den Fenstern ukrainische Fahnen geschwenkt. Aus einer oberen Etage soll auch eines der schrecklichsten Fotos stammen (eines der letzten Fotos in dieser Sammlung). Es zeigt in einem Raum ohne Brandspuren eine schwangere Büroangestellte, die erdrosselt worden sein soll.
Nach Angaben der ukrainischen Staatsanwaltschaft starben am 2. Mai in Odessa nach der Straßenschlacht und dem anschließenden Brand im Gewerkschaftshaus 46 Menschen. Etwa 200 Menschen wurden verletzt. Bereits am Sonnabend meldeten internationale Medien, dass allein 38 Menschen beim Brand im Gewerkschaftshaus umgekommen waren.
Doch während das Interesse der westlichen Medien an den brutalen Scharfschützen auf dem Maidan keine Grenzen kannte, mogelt man sich jetzt mit ungenauen Formulierungen am Brand im Gewerkschaftshaus vorbei. Typisch für die Berichterstattung ist folgender Kommentar in einer deutschen Wochenzeitung. "Ob das Feuer gezielt gelegt wurde oder der Brand aus Versehen ausbrach, das ist bis heute nicht geklärt." Bilder von rechten Militanten, die Molotow-Cocktails auf das Gewerkschaftshaus werfen gibt es genug, doch die Autorinnen möchten offenbar nicht an diese Bilder erinnern.
Niemand erwartet, dass westliche Journalisten die Täter der Brandkatastrophe jetzt beim Namen nennen. Aber es gibt Fragen zur politischen Dimension der Vorgänge, die man jetzt schon stellen kann:
Zu diesen allgemeinen Fragen, die sich jeder auch mit der Thematik nicht sonderlich Befasste stellt, kommen noch eine ganze Reihe von im russischsprachigen Internet diskutierten Vorwürfe und Ungereimtheiten, die dringend aufgeklärt werden müssen.
Wer waren die Männer, die von der Polizei mit ihren Schilden geschützt wurden? Bild: Napaki.Livejournal.com
Die Bilder von den Verbrannten im Gewerkschaftshaus lassen einem den Atem stocken. Auch zu diesen Bildern werden von Bloggern Fragen gestellt:
Wer waren die Männer? Bild: Napaki.Livejournal.com
Es war abzusehen, dass es nach dem Brand im Gewerkschaftshaus zu Spekulationen kommt. Denn das Innenministerium hatte die abstruse Behauptung aufgestellt, die "Separatisten", hätten sich selbst angezündet. Eine faire juristische Aufarbeitung der Tragödie erwartet wohl kaum Jemand.
Im Gebäude hielten sich offenbar auch Pro-Kiew-Anhänger auf - oder taten die Männer nur so? Bild: Napaki.Livejournal.com
Doch es wäre für die ukrainische Regierung ein Leichtes, Zweifel der Öffentlichkeit auszuräumen. Sie bräuchte nur Juristen der OSZE, der EU und Russlands zu den Untersuchungen vor Ort hinzuzuziehen. Doch daran hat Kiew jetzt - kurz vor der Präsidentschaftswahl - wohl absolut kein Interesse. Lieber versucht man die Trauer und die Wut der Menschen über die Toten von Odessa auf Russland und "von Russland gesteuerte Kräfte" zu lenken.
Die "Bewegung Süd-Ost", die angeblich alle Vertreter der russischsprachigen östlichen Regionen der Ukraine vereint, hat jetzt angekündigt , dass sie eine Arbeitsgruppe zu Untersuchung der Vorfälle in Odessa gründen will. Zur Aufklärung des Verbrechens will man Experten hinzuziehen, die von der neuen Macht in Kiew aus politischen Gründen gekündigt wurden. Damit die Untersuchung auch im Ausland Beachtung findet, müssten aber wohl auch Experten aus anderen Ländern an dieser alternativen Aufklärung beteiligt werden.
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