Der Fall der Mauer und die Odyssee von Erich Honecker
Zu einem der traurigen Kapitel in den deutsch-russischen Beziehungen gehört die Ausweisung des schwer krebskranken ehemaligen Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, aus Russland. Honecker, gegen den in Deutschland ein Strafverfahren wegen "Bereicherung" und "Amtsmißbrauch" lief, war auf Einladung von Michail Gorbatschow am 13. März 1991 mit einem sowjetischen Militärflugzeug aus Berlin nach Moskau ausgeflogen worden.
Doch der Gastgeber Gorbatschow verlor 1991 die Macht in der Sowjetunion. Die von den westlichen Medien unterstützten russischen "Reformer" um Boris Jelzin waren 1991 in Hochstimmung und kannten keine Gnade mit dem "Altkommunisten" Honecker. Nach dem August-"Putsch" ließ Boris Jelzin - Präsident Russlands - die KPdSU verbieten und verfügte die Ausweisung von Honecker.
Der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR flüchtete in die Botschaft von Chile in Moskau. Die Aufnahme in der Botschaft war eine Geste des Dankes. Die DDR hatte nach dem Militärputsch in Chile 1974 zahlreiche politische Flüchtilnge aus Chile aufgenommen.
Am 29. Juli 1992 wurde Honecker auf Druck deutscher Behören aber doch noch von Moskau nach Berlin ausgeflogen. Honecker wurde in das Gefängnis Moabit eingeliefert, wo er schon mal 1935 als Häftling der Gestapo saß.
Vor dem deutschen Gericht übernahm Honecker die politische Verantwortung für die Toten an der Mauer. Er rechtfertigte den Mauerbau aber als Maßnahme zur Verhütung eines dritten Weltkrieges, der Millionen Menschen das Leben gekostet hätte.
Wenn in diesem Jahr der Fall der Berliner Mauer gefeiert wird, sollte man auch an die Odysse von Erich Honecker denken, der "Dank" westdeutschen Verfolgungswahns nach zehn Jahren Haft in der Hitler-Zeit erneut zum Opfer deutscher Justiz wurde.
Am 13. Januar 1993 wurde das Verfahren gegen Honecker in Deutschland eingestellt. Unmittelbar nach seiner Freilassung flog der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR zu seiner Frau nach Chile, wo er am 29. Mai 1994 im Alter von 81 Jahren starb.
Ulrich Heyden