Gespanntes Warten
Der Gas-Transit über die Ukraine soll unter den Augen von EU-Experten umgehend wieder anlaufen. Nachdem sich der amtierende EU-Ratspräsident Mirek Topolanek in die Verhandlungen in Moskau und Kiew eingeschaltet hatte, kam am Sonntag eine Grundsatzeinigung über die Wiederaufnahme der Gaslieferungen zustande. Allerdings ließ das Aufdrehen der Gashähne auf sich warten.
Moskau – Ob der Streit um das Gas zwischen Russland und der Ukraine nach den Vereinbarungen mit Moskau, Kiew und der EU zu Ende ist, erscheint unwahrscheinlich. Am Samstag hatte Wladimir Putin nach Gesprächen mit dem tschechischen Ministerpräsident Mirek Topolanek in Moskau das Beobachter-Protokoll unterschrieben. In der Nacht von Samstag auf Sonntag unterschrieb nach Verhandlungen mit Topolanek auch die ukrainische Seite. Doch am Sonntag tauchten plötzlich neue Probleme auf. Gazprom-Sprecher Sergej Kuprijanow erklärte, solange man das unterschriebene Protokoll nicht „auf offiziellem Wege“ aus Kiew erhalte, könnten die russischen Beobachter nicht losfliegen, um ihre Arbeit an den Gas-Kontroll-Punkten in Russland und der Ukraine aufzunehmen.
Russland hatte schon zu Beginn des Gas-Konflikts auf strenge schriftliche Fixierung aller Streitpunkte bestanden. Offenbar möchte man so einen Image-Verlust in Europa verhindern. Wladimir Putin erklärte Ende der Woche vor Journalisten, allein die Ukraine sei durch die illegale Gas-Entnahme für die „Gas-Blockade Europas“ verantwortlich. Russland scheut im Streit mit der Ukraine keine finanziellen Verluste. Nach einer in der Moskauer Zeitung „Wedomosti“ veröffentlichten Analyse von East European Gas Analysis-Direktor Michail Kortschemkin hat Gazprom seit dem 7. Januar, als Moskau den Transit-Gas durch die Ukraine stoppte, täglich Einnahmeverluste von 120 Millionen Dollar.
Trotz der Unterzeichnung des Protokolls über die Beobachter, gibt es offenbar immer noch Unstimmigkeiten zwischen Gazprom und dem ukrainischen Konzern Naftogas. So habe sich die Ukraine angeblich geweigert, russische Beobachter an die ukrainischen Gas-Speicher zu lassen, berichtete der russische Fernseh-Kanal RTR. Das Gerangel erinnert an den vom russischen Präsidenten Dmitri Medwedew und Nicolas Sarkozy im August 2008 ausgehandelten Friedensplan für Südossetien. Auch damals waren unterschiedliche Interpretationen des Friedensplans laut geworden.
Der tschechische Premier Topolanek gab sich am Sonntag hoffnungsvoll. Der Einsatz von Beobachterteams werde nun „durch nichts mehr behindert“. In der Ukraine reisten die ersten Beobachter aus der EU bereits am Freitag an. In Russland verzögerte sich die Anreise der Beobachter, weil zuvor noch Visa ausgestellt werden mussten. „Das Gas dürfte wieder fließen, wenn alle Beobachter auf ihren Plätzen sind. Das müsste im Verlauf der nächsten 36 Stunden der Fall sein,“ erklärte Topolanek am Sonntag. Nach Meinung von Experten dauert es dann drei Tage bis das Gas von Russland bei den Gas-Versorgern in Europa ankommt.
Die Ursachen der Gas-Krise sind zwischen Kiew und Moskau weiterhin umstritten. Die Ukraine weist den Vorwurf des Gas-Diebstahl von sich. Verhandlungen über einen neuen Gaspreis endeten am Sonnabend in Moskau ohne Ergebnis. Gazprom hatte bei den Verhandlungen im Dezember zunächst 250 Dollar angeboten, war dann aber nach der ukrainischen Weigerung auf den „Marktpreis“ von 450 Dollar hochgegangen.
"Südkurier"